Lora Lamm (1928–2025): Federleicht

Nr. 15 –

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Portraitfoto von Lora Lamm
Lora Lamm Foto: Urs Walder

Lange Beine entspannen auf dem Liegestuhl, ein Mädchen rauscht auf dem Sozius vorbei. Die Schweizer Grafikerin Lora Lamm rückte die Frau ins Rampenlicht ihrer Reklamekunst und revolutionierte die italienische Grafik der Nachkriegszeit. Ihr Frauenbild war der Zeit voraus: Statt Heim und Herd propagierte sie Lebenslust und Selbstbewusstsein.

Lora Lamm hatte Grafik an der Kunstgewerbeschule Zürich studiert, bei Grössen wie Johannes Itten und Ernst Gubler. 1953 zog es sie ins boomende Mailand. Hier begann sie, in der Werbeagentur Boggeri zu arbeiten, die massgeblich von Schweizer Designern geprägt war. Lamm zeichnete stets kleinformatig, was später gross auf Plakaten prangte, und das wurde ihr Markenzeichen: Werbung auf der Grundlage des Illustrativen, das Zusammengehen von Fotografie, Illustration und Typografie auslotend. Ihre Erfindungen waren heiter und verspielt, ein Spiegel ihrer selbst: «Es muss wohl aus meinem Inneren kommen», sagte sie einmal. «Humor kann man nicht lernen.»

Der Schweizer Grafiker Max Huber entdeckte Lamm dann für das Edelkaufhaus La Rinascente, wo er damals Art Director war. Inspirieren liess sie sich von der angelsächsischen Werbung, etwa von Andy Warhols frühen Arbeiten: «Die amerikanische Grafik war nicht so festgefahren wie unser strenger Swiss Style.» 1958 machte Lamm sich selbstständig und gewann neue Kunden. Sie prägte ikonische Kampagnen etwa von Pirelli, Latte Milano und Elizabeth Arden.

Nach der Rückkehr in die Schweiz kämpfte sie gegen den «Lora-Lamm-Stil» an. «Den gibt es nicht», befand sie. Sie gab den illustrativen Ansatz auf und führte mit ihrem Lebenspartner Frank C. Thiessing die gleichnamige Werbeagentur in Zürich. Ihre eigene Marke gab sie auf, wandte sich produktorientierter Gestaltung zu, so über Jahre für Cynar. Sie wurde sachlicher in der Ansprache, Magie war im anzuheizenden Markt der sechziger Jahre nicht mehr gefragt.

Die Wiederentdeckung nach 2000 verdankte Lora Lamm jedoch ihren Entwürfen für La Rinascente. Sie verbinden formale Strenge mit luftiger Italianità und sind zeitlos originell – Genderfragen inbegriffen. Wohnkultur etwa herrscht dann, wenn die Dame des Hauses im Fauteuil sitzt, dem Gatten zugeneigt. Von ihm sind nur die beiden Hosenbeine zu sehen, hinter dem leeren Sessel versteckt. Ohne Ironie, sagte Lora Lamm, wirke Werbung einfach nur platt. Am 16. März ist sie 97-jährig in Zürich gestorben.