Wahlen in Polen : Rechts oder rechter
Polen wählt am Sonntag einen neuen Staatspräsidenten. Das Rennen ist noch offen, die Richtung aber bereits klar.

Während die Weichen auf der Welt dank der USA gerade neu gestellt werden und Russland die Ukraine stärker denn je bombardiert, beschäftigen sich Menschen, Politik und Medien in Polen fast ausschliesslich mit den Wahlen vom Sonntag. Zwar leitet der Ministerpräsident die Regierungsgeschäfte. Doch der zu wählende Staatspräsident ist Oberbefehlshaber der Armee, bestimmt die Aussenpolitik, hat das Recht, Gesetze einzubringen – und kann mit seinem Vetorecht die Regierung blockieren.
Welcher der beiden Kandidaten in der Stichwahl das Rennen macht, ist insbesondere für die Innenpolitik bedeutend: So stammt Rafał Trzaskowski aus dem Lager des Ministerpräsidenten Donald Tusk und seiner liberal-konservativen regierenden Bürgerplattform (PO) und würde dessen Politik stabilisieren. Der unabhängige Karol Nawrocki wird dagegen von der nunmehr oppositionellen rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt. Er dürfte die Blockadepolitik, die der nun scheidende Staatspräsident Andrzej Duda gegenüber der Regierung verfolgte, fortsetzen.
In wichtigen aussenpolitischen Fragen dürften sich die Parameter der polnischen Politik weder unter dem einen noch unter dem anderen Kandidaten ändern. Zwar gilt Nawrocki im Gegensatz zu Trzaskowski als EU-Kritiker und Verfechter grösserer polnischer Souveränität. In Bezug auf die polnische Position zum Krieg in der Ukraine, die derzeit weit wichtiger ist, herrscht aber überparteilicher Konsens, genauso bei der massiven Aufrüstung und den exorbitanten Verteidigungsausgaben, die fast fünf Prozent des BIP ausmachen.
Rechtslibertärer Königsmacher
Beim ersten Wahlgang vom 18. Mai lag Trzaskowski noch knapp zwei Prozentpunkte vor Nawrocki. In die Stichwahl vom Sonntag gehen die beiden gleichwohl mit veränderter Favoritenrolle: Denn Nawrocki hat mit über 29 Prozent der Stimmen ein weitaus besseres Ergebnis erzielt als von den Umfragen vorhergesagt. Zwar kann Trzaskowski hoffen, dass sich die gut neun Prozent der Wähler:innen, die im ersten Wahlgang linke Kandidat:innen unterstützten, nun auf seine Seite schlagen werden. Doch es ist möglich, dass das nicht reicht.
Denn auf Platz drei und vier landeten mit dem rechtslibertären Sławomir Mentzen und dem antisemitischen EU-Abgeordneten Grzegorz Braun zwei weitere Kandidaten aus dem weit gefassten rechten Spektrum, die mit fast fünfzehn sowie sechs Prozent starke Ergebnisse erzielten. Diese Stimmen dürften nun mehrheitlich an Nawrocki gehen.
Besonders der drittplatzierte Sławomir Mentzen gefällt sich in der Rolle des Königsmachers. Der 38-jährige onlineaffine Unternehmer ist Mitglied der nationalistisch-libertären Konfederacja, einer offen rassistischen und äusserst EU-kritischen Partei, die für eine radikale «Staatsverschlankung» und wirtschaftliche Deregulierung eintritt. Kürzlich lud Mentzen beide Kandidaten separat zu einem Auftritt in seinem Youtube-Format ein und legte ihnen ein Achtpunkteprogramm vor mit der Aufforderung, sich bei einem Wahlsieg daran zu halten – und dies mit ihrer Unterschrift zu bestätigen.
Unter den Forderungen waren die Versprechen, eine vertiefte Integration der EU zu blockieren und die Aufnahme der Ukraine in die Nato abzulehnen. Während Nawrocki allem zustimmte, lehnte Trzaskowski die beiden Punkte ab – was ihn Sympathien bei Mentzens Wähler:innen kosten dürfte. Sein Wahlkampfteam versuchte, das wieder auszugleichen, indem es nach der Debatte ein Foto der beiden Männer in Mentzens eigener Kneipe veröffentlichte.
Links-rechts-Spagat
Um seine Chancen auf den Sieg zu wahren, versucht Trzaskowski einen Spagat. Einerseits ist der Vizevorsitzende der PO auf die Stimmen der linken Wähler:innen angewiesen, die er hofieren will, indem er sich als linksliberaler Grossstädter gibt. Andererseits ist er bemüht, bei rechts und libertär gesinnten Landsleuten zu punkten. Schon vor dem 18. Mai stellte sich der 53-jährige Warschauer Stadtpräsident umstandslos hinter die menschenrechtswidrige Asylpolitik der Regierung und bediente Ressentiments gegenüber Geflüchteten und Muslim:innen. Der EU-Migrationspakt vom vergangenen Jahr, sagte er etwa, werde niemals in Kraft treten: Mit Ausnahme der ukrainischen Schutzsuchenden würde «kein weiterer Flüchtling nach Polen kommen».
Ob Trzaskowskis Strategie aufgeht, ist allerdings fraglich. Zwar konnte er am vergangenen Sonntag bei einem Marsch durch Warschau Zehntausende Anhänger:innen mobilisieren, doch auch für seinen Konkurrenten gingen am selben Tag Zehntausende auf die Strasse. Nawrocki punktet nicht nur mit seinem nationalistischen Diskurs, sondern auch, indem er sozioökonomische Fragen aufwirft, einen besseren Sozialstaat sowie massive staatliche Wirtschaftsimpulse verspricht.
Zudem stellt sich der 42-Jährige als Verteidiger von Errungenschaften der von 2015 bis 2023 regierenden PiS-Partei dar, etwa indem er den Bau eines neuen gigantischen Hauptstadtflughafens samt neuer, landesweiter Bahntrassen verteidigt, der von der PiS angestossen wurde. Es ist ein Vorhaben, das von einer Mehrheit der Menschen im Land unterstützt wird. Auch ein nationalistisch-traditionalistischer Geist, der in grossen Teilen der polnischen Gesellschaft herrscht, dürfte eher Nawrocki in die Hände spielen.