Roshani vs. Tamedia: Ein leises Ende
Auch das Obergericht heisst die Klage der ehemaligen «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani teilweise gut.

Vielleicht waren nicht nur die Schweizer USA-Expert:innen in den Ferien (siehe WOZ Nr. 32/25), sondern auch die Medienjournalist:innen? Vergangene Woche sprach das Zürcher Obergericht ein entscheidendes Urteil gegen die Tamedia AG, SRF berichtete zwar in der Hauptausgabe der «Tagesschau» am Mittwochabend darüber, ansonsten aber blieb es still um den Fall, der nun zumindest auf juristischer Ebene ein voraussichtliches Ende gefunden hat: Die 2022 ausgesprochene Kündigung der Journalistin Anuschka Roshani durch ihre Arbeitgeberin, die Tamedia AG, wurde auch in zweiter Instanz als missbräuchlich beurteilt.
Nach #MeToo
Das Obergericht bestätigte damit das Urteil des Zürcher Arbeitsgerichts vom letzten November. Dieses hatte die Kündigung aufgehoben und der Klägerin eine Lohnentschädigung zugesprochen. Beide Parteien legten damals Berufung ein. Die Tamedia AG, weil sie nichts zahlen wollte, Roshani, weil das Gericht ihr die zusätzlich eingeklagte Genugtuung nicht gewährte und keine Rechtsverletzung feststellte – es hatte die Anschuldigungen von Persönlichkeits- und Fürsorgepflichtsverletzungen nicht untersucht. Das hätte das Arbeitsgericht tun sollen, befand nun das Obergericht, und folgte der ersten Instanz im Urteil. SRF sprach von einer «Ohrfeige» für Tamedia. Noch hat keine der beiden Parteien angekündigt, das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen zu wollen. Wenn es dabei bleibt, wird es rechtskräftig.
Öffentlich wurde der Fall mit einem Gastbeitrag im «Spiegel» im Februar 2023: Anuschka Roshani, damals bereits gekündigte Redaktorin beim «Magazin» der Tamedia-Zeitungen, berichtete darin von einem «Regime des Mobbings». Ihrem ehemaligen Vorgesetzten Finn Canonica warf sie Sexismus und Diskriminierung vor. Canonica habe sich vulgär und herabsetzend über sie und andere Mitarbeiter:innen geäussert und Hakenkreuze an den Rand ihrer Manuskripte gezeichnet, wenn sie ein hochdeutsches Wort statt seiner helvetischen Entsprechung benutzt habe. Einmal schrieb er ihr: «Obwohl du eine Frau bist, hast du brilliert.» Roshani problematisierte zudem die fehlende Bereitschaft auf den höheren Chefetagen, auf die Vorwürfe zu reagieren, die sie seit längerem intern kommuniziert hatte. 2022 hatte die Tamedia sowohl Roshani als auch Canonica entlassen.
Der Text löste ein enormes Medienecho aus. Im «Spiegel» war er mit einem Bild von Harvey Weinstein versehen und mit «#MeToo im Schweizer Journalismus» überschrieben. Die Tamedia AG wiederum beauftragte Anwälte mit einem Bericht, der Canonica grösstenteils entlastete und sofort bei Radio-1-Chef Roger Schawinski auf dem Tisch landete. Dieser lud Canonica zu einem unkritischen Interview und schrieb innert weniger Wochen ein Buch mit dem Titel «Anuschka und Finn. Die Geschichte eines Medien-Skandals». «Erhellung geht anders» (CH Media) war noch eine der charmanteren Kritiken. Gegendarstellung jagte Gegendarstellung, Mitarbeiter:innen stellten sich hinter Canonica, Ehemalige meldeten sich zu Wort: Es sei alles noch viel schlimmer gewesen.
Vereinzelt wurde die doch dringend nötige Diskussion fortgesetzt, die 78 Tamedia-Mitarbeiterinnen aus der ganzen Deutschschweiz, darunter auch Roshani, 2021 mit einem offenen Brief losgetreten hatten: über die «von Männern geprägte Betriebskultur», in der Frauen «ausgebremst, zurechtgewiesen oder eingeschüchtert» worden seien – der Fall als trauriges Ergebnis, als Symptom einer dysfunktionalen Unternehmenskultur.
Klage unter Gleichstellungsgesetz
Am Ende blieben mehrere Gerichtsverfahren, darunter die soeben gutgeheissene Klage Roshanis gegen Tamedia. Sie fiel unter das Gleichstellungsgesetz. Das Urteil ist auch deshalb bemerkenswert: Tamedia hätte der Journalistin aufgrund des offensichtlich zerrütteten Vertrauensverhältnisses nicht kündigen dürfen. Denn ein Diskriminierungsvorwurf, wie ihn Roshani vor dem «Spiegel»-Text bereits intern gegenüber ihrer Arbeitgeberin erhoben hatte, schützt vor einer Kündigung, es sei denn, er wird aus missbräuchlichen Motiven erhoben, und vorausgesetzt, es besteht zwischen dem Vorwurf und der Kündigung ein kausaler Zusammenhang. Das bestätigte nun das Obergericht. Das erstinstanzliche Urteil war noch breit kommentiert worden – als Sieg über den mächtigen Medienkonzern. Dass es wasserdicht ist, ist eine gute Nachricht.