Bankenregulierung: Die leeren Drohungen der UBS

Nr. 40 –

Nach dem Credit-Suisse-Debakel will der Bundesrat die Eigenkapitalvorschriften für die UBS verschärfen. Die Grossbank reagiert mit Wegzugsdrohungen – und wird gehört.

Diesen Artikel hören (5:51)
-15
+15
-15
/
+15

Da sass UBS-Chef Sergio Ermotti am 23. September cool auf der Bühne des Zürcher «Kaufleuten» und liess sich von TV-Moderatorin Kathrin Hönegger vor über hundert KV-Lehrlingen eine unkritische Frage nach der anderen stellen; über seine steile Karriere, die Ausbildungswege bei den Banken und wie man so erfolgreich sein kann wie er. Die Idylle wurde nur von einer Gruppe Klimaaktivist:innen gestört, die schon kurz nach den ersten Fragen zur Bühne stürmten und dem CEO vorwarfen, einer «Todesbank» vorzustehen, die mit ihren Investitionen von über 200 Milliarden US-Dollar in fossile Unternehmen (allein seit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens) mitverantwortlich für die Klimakatastrophe sei. Doch im «Kaufleuten» wollte man nicht übers Klima reden – auch wenn dies die Zukunft der Anwesenden wie kaum ein anderes Thema bestimmen wird. So wurden denn die Aktivist:innen vom Sicherheitspersonal schnell wieder aus dem Saal spediert.

Ähnlich wie im «Kaufleuten»-Saal im Kleinen verhält es sich im Grossen – in der Diskussion um neue Eigenkapitalvorgaben für die UBS: Das Klima, das die Zukunft der Wirtschaft und des Finanzplatzes entscheidend beeinflussen wird, ist einfach kein Thema.

Vergangene Woche hat der Bundesrat eine Vernehmlassung eröffnet und vorgeschlagen, dass die UBS ihr Eigenkapital markant erhöht. Der Wert ihrer ausländischen Tochterunternehmen soll künftig vollumfänglich durch das Eigenkapital abgesichert sein, was für die Bank bedeuten würde, dass sie in den nächsten Jahren schrittweise zusätzliches Kapital in der Höhe von 20 bis 24 Milliarden US-Dollar beschaffen müsste.

Mehr Eigenkapital bedeutet mehr Sicherheit: Wenn die Bank wie schon die Credit Suisse in Schieflage gerät, kann sie auf ein grosses Reservepolster zurückgreifen, um etwa faule Kredite abzuschreiben, ohne deswegen zahlungsunfähig zu werden. Je weniger Eigenkapital eine Monsterbank wie die UBS hält, desto mehr gilt eine faktische Staatsgarantie, weil der Staat notfalls gezwungen ist einzuspringen, um eine nationale oder internationale Finanzkrise abzuwenden. Sowohl 2008 bei der UBS als auch 2023 bei der CS ist genau das eingetreten.

Damit das nicht mehr passiert, fordert unter anderen die renommierte Ökonomin Anat Admati (siehe WOZ Nr. 14/23) eine Eigenkapitalquote von zwanzig bis dreissig Prozent im Verhältnis zur Bilanzsumme – und zwar ohne «Risikogewichtung», bei der die Zahl nach oben frisiert wird. Damit trügen wirklich die Aktionär:innen das Risiko der Bank, also die Besitzer:innen, und nicht mehr der Staat. Mit dem Vorschlag des Bundesrats kommt die UBS nicht annähernd in diesen Bereich. Dafür will die Regierung die Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht etwas ausweiten. Allerdings ist fraglich, ob ein paar Dutzend Beamt:innen eine Bank mit über 100 000 Beschäftigten wirklich überwachen können.

Der Vorschlag des Bundesrats ist also keine einschneidende Verschärfung, sondern ein Kompromiss zwischen Sicherheitsbedenken und den Interessen des Finanzplatzes. Für Ermotti dagegen ist er eine Provokation. Er will die UBS in neue Höhen treiben, das hat er nach seiner erneuten Übernahme des Chefpostens am 5. April 2023 immer wieder klargemacht: Die Eigenkapitalrendite soll sich mehr als verdoppeln, und den Aktionär:innen sollen immer mehr Dividenden ausbezahlt werden. Ausserdem will er den Aktienkurs durch Aktienrückkäufe weiter ansteigen lassen. Die Gewinne der Bank sollen also an die Aktionär:innen zurückfliessen – statt der besseren Absicherung des Bestehenden zu dienen.

In Bundesbern scheint das viele nicht zu sorgen, das CS-Debakel bereits wieder vergessen. Während der bundesrätliche Vorschlag von der Bankiervereinigung als «extrem» abqualifiziert wird, fordern Bürgerliche aus SVP, FDP und Mitte jetzt einen «Kompromiss», also eine starke Abschwächung des bundesrätlichen Kompromisses. Flankiert wird dieses Lobbying von Gerüchten: Medien und Politiker:innen spekulieren ernsthaft über mögliche Pläne der Schweizer Grossbank, ihren Hauptsitz in die USA zu verlegen und damit Zehntausende Arbeitsplätze zu gefährden.

Dabei ist die UBS doch gerade deshalb so gross, weil sie in ihrem Kerngeschäft mit den Reichen und Superreichen aus der ganzen Welt auf die Neutralität der Schweiz sowie die hiesige Stabilität und Sicherheit pochen kann. Eine Verlegung des Sitzes in die USA würde sie auf einen Schlag um diesen Vorteil bringen.

Und was hat das alles jetzt mit dem Klima zu tun? Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt. Vieles deutet darauf hin, dass es die Klimakatastrophen sind, die die Banken schon bald in ernsthafte Schwierigkeiten bringen werden, wie etwa die «Financial Times» kürzlich in einem längeren Essay skizzierte. Rapide sinkende Häuserpreise in von Dürren, Bränden und Stürmen geplagten, wirtschaftlich starken Regionen wie Florida oder Kalifornien könnten den Anfang einer Abwärtsspirale einläuten – an deren Ende den Banken wie 2008 die Absicherungen ihrer Hypotheken wegbrechen. Dann gilt es für sie, horrende Verluste verkraften zu können. Und genau deshalb brauchen sie möglichst viel Eigenkapital.