Die FDP und Europa: Im Zwischenreich

Nr. 41 –

Die FDP entscheidet über den Europakurs. Der Druck von Rechts ist gross.

Diesen Artikel hören (4:38)
-15
+15
-15
/
+15

Eigentlich ist es bloss eine Delegiertenversammlung, die eine Stellungnahme abgibt. Glaubt man aber den meisten Medien, entscheidet das Treffen der FDP am 18. Oktober über Wohl und Wehe der Schweizer Europapolitik. Als ob politische Entscheide nur innerhalb von Parteien fallen würden – und nicht auch zwischen ihnen.

Kein Zwischenreich ist dabei so schillernd wie jenes zwischen der FDP und der SVP, wo sich Wirtschaftsliberalismus und Rechtsnationalismus umgarnen. Was hier doch in den letzten Jahren alles entstanden ist, und wie viel Geld hier doch fliesst!

Entweder mischen sich Milliardäre selbst in die Politik ein, so wie die Private-Equity-Investoren der Partners Group. Diese fordern mit ihrer Kompass-Initiative, dass bei Abstimmungen über internationale Abkommen immer das Ständemehr gelten solle, was auf undemokratische Weise die kleinen Kantone, also die Steueroasen, begünstigen würde. Andere Milliardäre wie Liftproduzent Alfred Schindler sponsern universitäre Pseudoinstitute wie das IWP in Luzern, das in seinen libertär verbrämten Studien den freien Markt predigt. Wieder andere subventionieren den auf ebendiesem Markt beschränkt erfolgreichen Medienunternehmer Markus Somm, damit er mit seinem «Nebelspalter» nationale Mythen beschwören kann.

Kein Thema erhitzt die Gemüter in dieser Zwischenzone so sehr wie das Verhältnis der Schweiz zu Europa – selbst jetzt, im Zollstreit mit den USA. Bei näherer Betrachtung ist die Botschaft all der Institute, Medien und Initiativen die immer gleiche: die Vorstellung einer nationalen Souveränität, die passgenau dem wirtschaftlichen Egoismus der Gegenwart entspricht. Einer Souveränität, die zwecks Steuerdumping auch für die Kantone bewahrt werden muss – daher der Fetisch mit dem Ständemehr.

Wie hoch der Druck aus dem Zwischenreich auf die FDP ist, zeigt die Traktandenliste ihrer kommenden Versammlung. Die Delegierten sollen nämlich nicht nur eine Stellungnahme zu den Bilateralen III abgeben, die erst noch im Parlament beraten werden müssen. Sie stimmen auch über drei weitere Fragen ab: ob das Ständemehr bei einer Abstimmung über das Vertragspaket zur Anwendung kommen soll (auch wenn die Verfassung keines vorsieht); ob sich die FDP im Parlament mit Nachdruck für einen liberalisierten Arbeitsmarkt einsetzen soll (was gegen die Massnahmen zum Lohnschutz zielt); und schliesslich, ob die FDP die «Einwanderung in die Sozialsysteme» bekämpfen soll (womit sie direkt das SVP-Vokabular übernimmt).

Wie aus der FDP zu hören ist, dürfte sich die Partei für die Bilateralen III aussprechen. Alles andere wäre auch eine Desavouierung des eigenen Aussenministers, Ignazio Cassis, der die Verhandlungen mit der EU verantwortet. Um den innerparteilichen Frieden wiederherzustellen, könnten die Befürworter:innen der Verträge aber versucht sein, den Gegner:innen beim Ständemehr entgegenzukommen. Cassis war im Bundesrat dagegen, seine FDP-Kollegin Karin Keller-Sutter dafür. Der Angriff auf die Gewerkschaften und die Anbiederung an die SVP dürften sowieso Formsache sein.

Zu befürchten steht in der Summe eine feige Positionierung: Man sagt zwar Ja zu den Bilateralen III, gibt aber bei allen weiteren Punkten dem Druck aus dem Zwischenreich nach. Eine Abstimmung mit Ständemehr erschwert die Zustimmung zu den Verträgen, weil ein höheres Volksmehr nötig wäre. Ein Angriff beim Lohnschutz stellt wiederum das bewährte europapolitische Bündnis von den Gewerkschaften bis zur FDP infrage. Eine aussenpolitische Öffnung ist nur mit einer sozialen Absicherung mehrheitsfähig, das betont die Linke seit Beginn des bilateralen Wegs in den neunziger Jahren. Viel Glück für die Abstimmung bei einer solchen Ausgangslage!

Dabei könnte sich die FDP unter neuer Führung – Susanne Vincenz-Stauffacher und Benjamin Mühlemann werden ebenfalls nächste Woche gewählt – durchaus auch eigensinnig statt duckmäuserisch positionieren. Die aktuellen Wahlumfragen mit Rekordwerten für die SVP von über dreissig Prozent zeigen schliesslich, dass der harte Rechtsaussenkurs von Vorgänger Thierry Burkart grandios gescheitert ist – allen Studien, Kommentaren und anderen Zurufen aus dem Zwischenreich zum Trotz.