Berner Notschlafstellen: Eiskalt
Unkomplizierte Hilfe für alle, die sie brauchen – so könnten Notschlafstellen funktionieren. In den obszön reichen Städten der Schweiz sollte man es sich leisten können, dafür zu sorgen, dass niemand auf der Strasse schlafen muss. Aber unkompliziert sind Behörden nie. Wer wann wie lange in öffentlich finanzierten Notschlafstellen schlafen darf, ist reglementiert. Je nach Stadt und Kanton gibt es verschiedene Triagesysteme, Aufnahmebedingungen und Reglemente. In die Bresche springen private Angebote, die vor dem Zugriff der Law-and-Order-Fantasien von Politikerinnen und Beamten mit Profilierungsdrang geschützt sind.
Wie grausam sich diese Fantasien ausspielen können, zeigt sich gerade im Kanton Bern. Dieser ist dazu übergegangen, den Notschlafstellen, die er mitfinanziert, vorzuschreiben, dass sie nur noch Personen mit gültiger Aufenthaltsbewilligung bei sich aufnehmen dürfen, wie SRF zuerst berichtet hat.
Andere Kantone und Städte gehen weniger weit. Basel-Stadt schreibt, seine Notschlafstelle sei für Personen mit regulärem Aufenthalt vorgesehen, auch für andere sei eine Übernachtung aber «formlos möglich». Ähnlich ist die Situation in St. Gallen und Zürich, ergibt eine Nachfrage. In der Waadt dürfen Sans-Papiers in Notschlafstellen übernachten, aber nur, wenn noch Plätze frei sind (siehe WOZ Nr. 18/25).
In Bern soll die neue Regelung angeblich die Kosten senken. SVP-Stadtrat Alexander Feuz verweist ausserdem auf die Rückkehrzentren für abgewiesene Asylsuchende. Dort herrschen fast unerträgliche Bedingungen, die an die Auszahlung von «Nothilfe» geknüpft sind und die Bewohner:innen zur Ausreise drängen sollen. Ein System zur finanziellen Unterstützung wird so zum Repressionsinstrument.
Auch im neuen Regime für die Notschlafstellen scheint das Kostenargument vorgeschoben. Als wäre Geld sparen zu wollen bei Hilfsangeboten für die prekären Besucher:innen nicht schon zynisch genug, geht es hierbei wohl vor allem darum, weiteren Bereichen des Sozialstaats fremdenpolizeiliche Massnahmen überzustülpen. Wer nicht erwünscht ist, soll das spüren. In eisiger Kälte sind Übernachtungen im Freien lebensgefährlich.