BVG-Abstimmung: Der bürgerliche Totalabsturz
Die Rentenpolitik der bürgerlichen Parteien ist auf der ganzen Linie gescheitert. Ob sie daraus Lehren ziehen, ist allerdings sehr fraglich.
Einen Absturz der BVG-Reform in diesem Ausmass hat wohl niemand vorhergesehen. Über 67 Prozent der Stimmenden lehnen die Reform ab. Das macht nichts. Die Pensionskassen sitzen auf 150 Milliarden Franken Reserven, diese Reform war unnötig.
Das Nein ist eine schallende Ohrfeige für die bürgerlichen Parteien, inklusive GLP. Das Grundprinzip der Vorlage war nicht zu kompliziert, sondern einfach zu verstehen: Die arbeitende Bevölkerung sollte Ja zu insgesamt tieferen Renten sagen und dafür auch noch mit höheren Lohnabzügen bezahlen. Die Finanzindustrie dagegen, die sich an den Vorsorgegeldern aus der zweiten Säule dumm und dämlich verdient und hohe Milliardenbeträge abzügelt, hätte auch diesmal nichts beitragen müssen. Die bürgerlichen Politiker:innen, darunter einflussreiche und gut bezahlte Lobbyist:innen, hatten entsprechende Anträge der Linken von Anfang an abgeblockt.
Das Nein von diesem Wochenende heisst auch: Die Rentenpolitik der bürgerlichen Parteien ist auf der ganzen Linie gescheitert. Allein in diesem Jahr mussten sie drei heftige Niederlagen an der Urne einstecken: Im März schmetterten die Stimmbürger:innen mit einem Nein-Anteil von 75 Prozent eine generellen Rentenaltererhöhung ab, und sie sagten deutlich Ja zu einer 13. AHV-Rente. Nun also schickt eine überwältigende Mehrheit die BVG-Reform bachab. Und selbst die Rentenaltererhöhung der Frauen, mit der die Bürgerlichen im Herbst 2022 knapp durchkamen, muss womöglich wiederholt werden. Darüber entscheiden noch die Gerichte.
Ob SVP, FDP, GLP, Teile der Mitte-Partei und der Bundesrat aus diesen Ansagen ihrer Dienstherrin etwas gelernt haben? Danach sieht es nicht aus: Die Bevölkerung ist ihnen offensichtlich völlig egal – das äusserte sich heute auch darin, dass gewissen Politiker:innen ausser Beschimpfungen nichts einfiel.
Schon nach den Niederlagen im März hatten sie beleidigt reagiert und unter Federführung der finanzpolitischen Extremist:innen der FDP eine Strafexpedition gegen die eigene Bevölkerung organisiert. Die Finanzierung der 13. AHV-Rente soll nach Vorstellung des Freisinns allein durch Sparen im Bundeshaushalt erreicht werden; der Bundesrat wiederum will weniger Mittel in die AHV-Kasse einschiessen und die 13. AHV-Rente allein mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer finanzieren. All dies träfe den Mittelstand und Geringverdiener:innen.
Dieses Vorgehen lässt sich als grobe und wiederholte Missachtung des Volkswillens begreifen – und damit als Attacke der rechtsbürgerlichen Eliten auf die direkte Demokratie.
Es ist davon auszugehen, dass sie auch die Ablehnung der BVG-Reform nicht zum Einlenken bewegen wird. Die nächste AHV-Reformvorlage kommt 2026 ins Parlament. Wie bereits mehrfach angekündigt, bringen Bundesrat und bürgerliche Parteien dann die generelle Rentenaltererhöhung wieder ins Spiel. Wer weiss: Vielleicht rächt sich dieses Verhalten aus bürgerlicher Sicht doch irgendwann. 2027 sind wieder Wahlen.