WOZ-Abstimmungsblog

Der Albtraum wird Realität

Illustration: Ruedi Widmer

Die Aufholjagd hat nicht gereicht: Die Schweiz beschliesst die härteste Terrordefinition Europas. Um die rechtsstaatliche Abwärtsspirale zu stoppen, braucht es ein grundlegendes Umdenken. 

Am Ende war es zumindest knapper als gedacht: 56,6 Prozent befürworten das Antiterrorgesetz PMT, mit dem die Bundespolizei überaus weitreichende und wenig kontrollierte Kompetenzen erhält; bei den ersten Umfragen war der Ja-Anteil noch wesentlich höher gewesen. Das Resultat ist ein Achtungserfolg für die GegnerInnen mit ihrer hartnäckigen Aufklärungskampagne im Dienst der Menschenrechte. Eine Kampagne im Übrigen, die es schon allein deshalb schwer hatte, weil der Bundesrat — angeführt von Law-and-Order-Hardlinerin Karin Keller-Sutter — der Stimmbevölkerung mit hartnäckigen Falschbehauptungen, skandalösen Unwahrheiten und unrealistischen Versprechen wochenlang Sand in die Augen gestreut hatte.

Die gegnerische Aufholjagd zeigt immerhin, dass menschenrechtliche Argumente durchaus verfangen, wenn die Debatte richtig geführt wird. Angesichts seiner weitreichenden Folgen für die Betroffenen und den Rechtsstaat ist die erfreuliche Mobilisierung gegen das PMT allerdings bloss ein schwacher Trost.

Selten war die Kritik an einer Vorlage so fundiert wie fundamental. Die Uno, der Europarat, die Weltorganisation gegen Folter, eine breite NGO-Allianz und die renommiertesten JuristInnen des Landes: Sie alle warnten vehement vor einer Terrordefinition, die sonst nur autoritäre Staaten kennen und die so vage ist, dass sie jede Dissidenz ins Visier rücken kann. Vor einem Gesetz, das Kinder zur Gefahr erklärt, geltende Verfahrensgarantien aushebelt und die Schweiz ein Stück weiter in Richtung Polizeistaat treibt.

Genützt hat das alles nichts. Die Mehrheit der Stimmbevölkerung hat die Kritik ignoriert und sich für ein Gesetz ausgesprochen, das in seiner Härte europaweit seinesgleichen sucht. Dies wohl im falschen Glauben daran, dass die Schweiz damit sicherer wird; ja, dass es so etwas wie absolute Sicherheit oder eine Gesellschaft ohne Risiken überhaupt geben kann. Für unser aller Grundrechte ist das ein denkbar schlechter Tag.

Künftig wird eine Person, die die Polizei aufgrund irgendwie gearteter, nicht nachprüfbarer Annahmen für gefährlich hält, das Gegenteil beweisen müssen: ein «kafkaesker Alptraum», wie Amnesty International treffend schreibt. Und kommt es trotz des vielfältigen Massnahmenarsenals des PMT dennoch zu einem Anschlag, werden mit Sicherheit umgehend Rufe nach weiteren Verschärfungen laut. Präventive Repression, wie sie das Gesetz vorsieht, kann in dieser Logik schliesslich gar nicht früh genug ansetzen – bereits «falsche Gedanken» müssen demnach im Vorfeld geahndet werden.

Eines zeigt das Ja zum PMT deutlich: Der Rechtsstaat ist auch hierzulande keine Selbstverständlichkeit, sondern muss stets von Neuem erkämpft werden — in Schweizer Gerichtssälen oder am Strassburger Menschenrechtsgerichtshof, aber auch im Parlament, bei anstehenden Revisionen wie etwa jener des DNA-, des Nachrichtendienst- oder des Zollgesetzes.

Entscheidend wäre aber auch eine grundsätzliche Einsicht: Wer im Streben nach mehr Sicherheit die Freiheit Einzelner einschränkt, gibt die Freiheit aller preis — und handelt letztlich so, wie es sich die TerroristInnen dieser Welt erhoffen. Nur ein Paradigmenwechsel im Denken kann dieser gefährlichen Abwärtsspirale Einhalt gebieten.