WOZ-Abstimmungsblog

Massen­tier­haltungs­initiative: Ein fantasieloses Nein

Cartoon von Ruedi Widmer: Hühner welche eng zusammengequetscht auf einem Lineal sitzen
Illustration: Ruedi Widmer

Das Geldargument hat gesiegt. «Massiv mehr fürs Essen bezahlen?», drohten Vertreter:innen der Branche, die doch genau das fordern sollte: dass mehr fürs Essen bezahlt wird. Schliesslich sind die Lebensmittel so billig, dass die Landwirt:innen nur mit Direktzahlungen über die Runden kommen. Was sie bei anderen Gelegenheiten oft kritisieren.

Das Nein zur Massentierhaltungsinitiative (MTI) ist traurig. Denn es zeigt einmal mehr, wie schwer es ist, Mehrheiten gegen die Masslosigkeit zu finden, die den Planeten zerstört. Früher oder später wird der Fleischkonsum radikal sinken müssen, weil die Welt schlicht nicht genug für die heutigen Essgewohnheiten hergibt. Die MTI war ein Versuch, diesen Übergang politisch zu gestalten. Darum ging es in erster Linie, nicht um einzelne Hühner oder Schweine.  

Dass die Schweizer Landwirt:innen (zu) viel Fleisch produzieren, solange die Nachfrage so hoch bleibt, ist verständlich. Doch zahlenmässig waren es nicht sie, die die Initiative scheitern liessen. Es sind hauptsächlich die Konsument:innen, die in der Pflicht stehen. Und die die MTI verpflichtet hätte: Manchmal braucht es einen Anstoss von aussen, um eine Verhaltensänderung durchzuziehen. Weil man oft weiss, was richtig ist, aber zu träge ist, um konsequent zu bleiben. Der Anstoss bei einem Ja wären höhere Fleischpreise gewesen, die pflanzliche Lebensmittel endlich so konkurrenzfähig gemacht hätten, wie sie schon lange sein sollten.

Das Nein zur MTI ist ein Bekenntnis zu einem fantasielosen «weiter wie bisher», das nicht einmal Genuss bringt. Denn Genuss entsteht ja gerade, weil nicht alles jederzeit verfügbar ist. Das gilt für Freilanderdbeeren im Juni genauso wie für Marroni und Kürbissuppe im Herbst. Und für den Sonntagsbraten: Er lässt sich nur wirklich zelebrieren, wenn das gedankenlos konsumierte Billigfleisch unter der Woche wegfällt.

Das Zeitalter der Billiglebensmittel geht ohnehin zu Ende. Energieknappheit treibt die Preise für Kunstdünger und Transporte in die Höhe, Hitzewellen und Dürren führen zu Ernteausfällen. Auch wenn die Folgen davon in anderen Ländern noch viel dramatischer sind: Das alles stellt auch die Schweizer Landwirtschaft vor Herausforderungen. Um sie anzugehen, wird es einfallsreichere Strategien brauchen als ein «weiter wie bisher».