Durch den Monat mit Philipp Schwander (Teil 2): Schätzen Sie Bioweine?
WOZ: Weinhandel sei ein schwieriger Beruf, sagten Sie letzte Woche. Träumten Sie nie davon, ein eigenes Weingut zu kaufen?
Natürlich wäre es schön, etwas kreieren zu können, einen eigenen Wein selber zu schaffen. Aber ich habe schon zu oft erlebt, dass viele sich zu leichtfertig und idealistisch im Weinbau betätigten und ein Vermögen verloren haben – übrigens auch Weinhändler. Wenn ich aber unbegrenzte Mittel zur Verfügung hätte, produzierte ich natürlich gerne den bestmöglichen Wein. Ideal wäre es, Rebberge zu kaufen, deren Qualität sich über Jahrhunderte bewährt hat, zum Beispiel im Burgund. Niemals würde ich irgendwo ein Stück Land roden und von Grund auf beginnen.
Hat der Schweizer Weinbau angesichts der weltweiten Überproduktion eine Zukunft?
Das Hauptproblem ist, dass die meisten Weinbauern einen Betrieb geerbt haben, der seit Generationen der Familie gehört und den sie mit einer «So hat man es schon immer gemacht»-Mentalität weiterführen. Und dann beleidigt sind, wenn niemand ihren Wein kaufen will. Solche Betriebe werden schnell Schwierigkeiten bekommen. Man hat auch heute durchaus eine Chance, aber man muss sich ganz genau überlegen, welche Kundschaft man ansprechen will. Der Markt hat sich enorm verändert.
Teure Böden, hohe Löhne, steile Rebberge: Ist es nicht unwirtschaftlich, in der Schweiz Wein anzubauen?
Nun, in der Schweiz braucht es aufgrund der Topografie 600 bis 1800
Arbeitsstunden pro Hektar und Jahr.
In gewissen Gegenden Australiens, wo es topfeben und enorm trocken ist, reichen fünfzig Stunden. Aber ich war immer der Meinung, dass sich der Schweizer Wein behaupten kann, auch ohne geschützten Markt. Dass sich die Schweizer Produzenten gegen die Marktöffnung mit Händen und Füssen ...
... und Traktoren vor dem Bundeshaus ...
... ja, auch mit Blockaden gewehrt hatten, war die grösste Antiwerbung für den einheimischen Wein. Bis dahin hatte er einen guten Ruf, aber dann begann man sich zu fragen: Weshalb wehren sie sich so vehement gegen den Wettbewerb? Ist der Wein vielleicht doch nicht so gut? Aber diejenigen Schweizer Winzer, die einen hoch stehenden, für die Gegend typischen Wein keltern, haben eine sehr gute Chance. Nicht zuletzt auch, weil der Trend – zu Recht – wieder Richtung
regionale Spezialitäten geht, weg vom internationalen Allerweltseinerlei. Wichtig ist, dass die Leute Kontakt haben zur Region und ihren Winzern. Wein ist etwas sehr Emotionales; haben die Leute ein Weingut besucht, entwickeln sie häufig eine persönliche Bindung, und der Wein verkauft sich viel besser.
Schätzen Sie Bioweine?
Die Idee ist bestechend, aber es wird viel Schindluder getrieben. Manche Marktteilnehmer nützen es aus, dass die Konsumenten meinen, ein Biowein sei in jedem Fall viel gesünder als ein herkömmlich produzierter, was ja bekanntlich nicht zwingend der Fall ist. In gewissen Fällen ist der Schwermetallanteil – etwa von Kupfer – sogar höher als bei konventionell gewonnenen Weinen. Die Kontrolle ist zudem sehr schwierig. Es gibt auch Firmen, die quasi in Eigenregie ein eigenes Label definieren, wann etwas «bio» ist oder nicht. Am sympathischsten sind mir Weinbauern, die aus Überzeugung biologisch oder biodynamisch produzieren, dies aber nicht aufs Etikett schreiben. Die Biodebatte ist aber sowieso nicht so dringend, weil durch die Gärung und die anschliessende Lagerung der Wein eines der Lebensmittel mit den tiefsten Rückständen ist.
Soll Wein, sollen Agrarprodukte um die Welt transportiert werden?
Im Mittelalter hat der Transport bis zum Dreifachen des Weines selbst gekostet; heute gibt es de facto keinen Distanzschutz mehr. Von Australien nach Zürich kostet der Transport einer Flasche Wein dreissig Rappen, von Genf nach Zürich zwanzig Rappen. Allerweltsweine müssen nicht unbedingt um die ganze Welt gekarrt werden, aber bei speziellen, charaktervollen Weinen, etwa einem sehr guten australischen Shiraz, ergibt es durchaus Sinn. Wer dies beanstandet, dürfte auch keine Ananas mehr essen. Die Weine werden ja fast immer mit dem Schiff transportiert. Geradezu idiotisch finde ich es jedoch, wenn mir in der Schweiz, die voller Quellen ist, ein englisches Wasser serviert wird!
Philipp Schwander ist Weinhändler und der einzige Master of Wine in der Schweiz. Die Master-of-Wine-Prüfung ist die anspruchsvollste in der Weinwelt.