Durch den Monat mit Robert Huber (Teil 1): Beten und fluchen

Ihr Verein, der FC Winterthur, kämpfte in der Challenge League lange gegen den Abstieg. Ersuchten Sie da vor entscheidenden Spielen auch mal eine höhere Macht um Beistand?
Beten vor dem Match ist durchaus verbreitet, vor allem unter ausländischen Spielern ist es eigentlich normal. Ich selber hoffe, dass der Fussballgott Gerechtigkeit walten lässt. Im Abstiegskampf wurde aber Mentaltraining eingeführt, für alle. Unsere Misere konnte ja nicht mit den fussballerischen Fähigkeiten zu tun haben, schliesslich holten wir am Anfang der Saison viele Punkte – und gewannen dann plötzlich sechs Monate nicht mehr. Beim ersten Mentaltraining meinte ein Spieler, er glaube nicht an so etwas. Aber das hat nichts mit Glauben zu tun, das ist einfach ein Training. Die Mannschaft rückte dadurch näher zusammen – und wir gewannen wieder.

Wie sah dieses Mentaltraining aus?
Wir führten zum Beispiel den «Winti-Kampfschrei» ein: Dabei mussten wir eine Schlagbewegung machen und dazu laut schreien, das fördert die Konzentration. Ohne «Winti-Kampfschrei» konnten wir irgendwann gar nicht mehr auf den Platz.

Für solche Rituale und ihren Aberglauben sind Fussballer berühmt. Was machen Sie sonst noch vor dem Spiel, um das Glück auf Ihre Seite zu bringen?
Ich trete stets mit dem rechten Fuss zuerst aufs Feld. Und ich hänge nie mein Leibchen auf. Wenn wir zu Hause spielen und ich als Captain die Platzwahl gewinne, dann wechsle ich immer die Spielfeldseite. Unsere Fans in der Bierkurve applaudieren dann stets, weil sie wissen, dass ich die Wahl gewonnen habe. Auch sie glauben, dass es dann besser läuft.

Euer Kampfschrei baut Emotionen vor dem Spiel auf. Wie ist es auf dem Platz, wird dort viel geschrien und geflucht?
Und wie! Der Fussball lebt von Emotionen, und auf dem Platz gibt es keine Grenzen dafür. Man schmeisst einander alles direkt an den Kopf: dem Gegenspieler sowieso, aber auch innerhalb der eigenen Mannschaft.

Wie ist es mit dem Schiedsrichter? Gabs schon mal Konsequenzen, weil Sie einen angeflucht hatten?
Nein, ich habe noch nie eine Verwarnung wegen Reklamierens gekriegt. Ich bin überzeugt, dass man mit dem Schiri auf einer vernünftigen Basis diskutieren sollte. Ich habe mich gut unter Kontrolle und kann das. Aber es gab schon Streitereien, weil Mitspieler mich aufforderten, endlich mal den Schiri zusammenzuscheissen. Das sei meine Aufgabe als Captain. Wir haben deshalb abgemacht, dass jemand anders aus der Mannschaft diesen Part übernimmt. Das ist ein bisschen wie «bad cop – good cop»: Der eine schüchtert ein, der andere redet ganz vernünftig mit ihm.

Ihr Sündenregister ist generell nicht sehr gross. Für einen Verteidiger bekommen Sie wenig gelbe Karten.
Ich bekomme im Schnitt zwei bis fünf gelbe Karten pro Saison. In meiner ganzen Karriere habe ich zweimal Rot gesehen. Beide Platzverweise waren natürlich vollkommene Fehlentscheide des Schiedsrichters. Einmal spielte ich mit der U21-Nationalmannschaft in Ungarn, der Schiedsrichter war ein Russe. Der gegnerische Stürmer zog von der Mittellinie alleine aufs Goal los, ich machte das Tackling meines Lebens und spitzelte ihm korrekt den Ball weg. Dann sah ich wegen Notbremse Rot, und es gab einen Penalty. Die Zweite war gelb/rot wegen einer Schwalbe. Ich bin stolz darauf, dass ich ein sehr ehrlicher Mensch bin, deshalb konnte ich diesen Entscheid nicht verstehen. Das war keine Schwalbe, der andere stand mir auf den Fuss. Eine sehr harte Erfahrung.

Seit kurzem gibt es auch Gelb, wenn ein Spieler nach einem Tor sein Trikot auszieht. Ein Grund für diese neue Regel sind Botschaften wie «Jesus liebt dich», die inflationär auf Unterleibchen auftauchten.
Einerseits verstehe ich, wenn man das Leibchen auszieht, und finde das völlig okay. Andererseits bin ich kein Anhänger von Botschaften auf dem Fussballplatz. Es ist ein kleiner Schritt von einem unbedeutenden Slogan zu etwas, das zu Konflikten führen kann, die im Fussball nichts zu suchen haben. Das heisst nicht, dass ein Spieler seine Bekanntheit nicht dazu nutzen darf, eine Botschaft zu vermitteln. Aber er sollte es neben dem Platz tun.

Robert Huber, 29, ist Aussenverteidiger und Captain des Challenge-League-Klubs FC Winterthur.