Durch den Monat mit Robert Huber (Teil 3): Muss Chappi raus?

Nach dem Spiel gegen Kroatien sprachen die Medien von einem «0:0-Sieg». War dieses Remis wirklich ein Erfolg?
Nein. Die Schweizer haben ihr Potenzial überhaupt nicht ausgeschöpft, vor allem im offensiven Bereich. Sie waren viel zu nervös, verschiedene Spieler brachten nicht die Leistung, zu der sie eigentlich fähig sind. Man muss von der Schweizer Nati mehr erwarten können als bloss zwei Torschüsse, der eine davon aus dreissig Metern.

Im Sturm war Stéphane Chapuisat langsam und kaum zu sehen. Sollte Köbi Kuhn ihn auswechseln?
Wenn man von der Offensive spricht, dann geht es nicht nur um die Stürmer. Ob eine Mannschaft offensiv stark spielt, hängt davon ab, wie gut ein Angriff aus der Abwehr ausgelöst wird, wie gut das Mittelfeld den Ball halten und das Spiel schnell machen kann. Auch wenn ein anderer Stürmer gespielt hätte – das hätte nichts geändert, denn Anspiele auf Chapuisat waren sehr selten. Dort liegt das Problem.

Vergleicht man das Schweizer Spiel mit Frankreich gegen England, dann war das wie ein Juniorenmatch, während nachher Erwachsene auf dem Platz standen.
Genau das dachte ich auch. Tempo, 
Passgenauigkeit, Bewegung ohne Ball, 
Technik im Allgemeinen – da gab es enorme Unterschiede. Aber in den nächsten Spielen wird die Differenz kaum so gross sein. Man passt sich immer auch dem Gegner an: Die Schweizer werden schneller spielen müssen, die Franzosen werden vielleicht etwas langsamer.

Was hat Sie bis jetzt am meisten beeindruckt?
Schweden–Bulgarien hat mir am besten gefallen, weil dort viele Tore fielen. Vom Taktischen und Spielerischen her war Frankreich–England das Highlight. Für mich war es nur schon beste Unterhaltung, wie die Spieler die Bälle annahmen, wie sie mit einer Leichtigkeit und trotzdem mit unglaublicher Präzision Pässe spielten. Als einzelne Aktion war es das erste Tor von Henrik Larsson gegen Bulgarien. Und weil ich ein Fan von Showeinlagen und Kabinettstückchen bin, fand ich auch Jörg Stiels Kopfball auf der Linie sehr cool.

Und da war natürlich noch «Zizou» Zidane ...
Ohne Zweifel der momentan beste Fussballer. Seine Sicherheit und Souveränität sind phänomenal. Ich würde in einer solchen Situation jeden Penalty verschiessen. Mein Fuss würde so fest zittern, dass ich nicht mal das Goal treffen würde.

Gehört Schweden nun zum Favoritenkreis?
Das Startspiel ist enorm wichtig, weil sich nach einem solchen Sieg eine Mannschaft selber aufbaut und über sich hinauswächst. Wenn man sah, wie die Schweden nach dem Spiel in einem Pulk gejubelt haben ... Teams mit einem solchen Zusammenhalt sind schon oft sehr weit gekommen. Ich traue ihnen das Halbfinale zu.

Sehr viele Tore fielen nach Standardsituationen, durch Freisstoss, Penalty oder nach einem Corner.
Das ist eine Charakteristik des modernen Fussballs: Die taktische Ausrichtung ist bei allen Mannschaften derart ausgereift, dass es schwer ist, aus dem Spiel heraus Tore zu erzielen. Was schade ist, denn Tore aus dem Spiel heraus sind viel schöner. Mir gefallen deshalb Flügelstürmer: Wenn einer einen Rush entlang der Linie macht und eine Flanke schlägt. Vicente bei Spanien ist so einer oder auch Jörgensen und Rommedahl bei Dänemark, die nehmen den Ball und riskieren etwas.

An dieser EM fangen die Kameras alles ein. Nur ein grosses Geheimnis bleibt für die ZuschauerInnen: 
Was passiert in der Pause in den Kabinen? Kann eine Traineransprache den Spielverlauf ändern?
Ich hatte Trainer, die in der Pause viel redeten oder gar nicht, manche brüllten, andere waren sehr leise. Es hängt weniger vom Trainer ab als vielmehr von den Spielern selber. Wenn man sich zusammenrauft und einander sagt «Hey, so gehts nicht weiter!», dann kann man ein Spiel noch wenden.

Was war die eindrücklichste Halbzeitpause ihrer Karriere?
Mit dem FC Zürich spielten wir gegen Luzern. Ein Luzerner Stürmer köpfte unserem Torwart Shorunmu regelwidrig den Ball aus den Händen, der Schiri gab das Tor trotzdem. Dazu kam noch eine ungerechtfertigte rote Karte gegen Shabani Nonda. Wir gingen mit 0:2 in die Kabine. Captain Urs Fischer sagte dort ziemlich laut: «Jungs, so nicht, jetzt ist fertig lustig!» Da ging ein Ruck durch die Mannschaft. Wir glichen in der zweiten Hälfte zu zehnt noch aus. Solche Spiele sind für mich die schönsten.

Robert Huber, 29, ist Verteidiger 
und Captain des Challenge-League-Klubs 
FC Winterthur.