Durch den Monat mit Robert Huber (Teil 5): Ein Aufstand der Kleinen?

Bald geht die EM zu Ende. Sind Sie traurig darüber?
Eigentlich schon. Die Stimmung an den letzten Spielen war hervorragend, und an Spannung waren sie ja kaum mehr zu überbieten. Aber ich verspüre auch eine gewisse Sättigung, irgendwann hat man genug. Am letzten Samstag musste ich an der FC-Winti-Bar am Albanifest arbeiten und konnte mich nicht aufs Spiel konzentrieren – aber das war gar nicht so schlimm. Es war lustig, mal die Zuschauer zu beobachten, die sich so verhalten wie du sonst auch. Dann merkt man, dass es eigentlich ein Riesentheater um etwas ist, das gar nicht so wichtig ist.

Die fünf grossen europäischen Fussballnationen sind früh ausgeschieden. Haben wir an der EM in Portugal einen Aufstand der Kleinen erlebt?
Natürlich sprach man im Vorfeld viel von Frankreich oder Italien, aber genauso von Portugal und Tschechien. Deshalb kommen diese Ergebnisse nicht sehr überraschend.

Es war viel von der hervorragenden Organisation aller Teams die Rede. Ist diese das Wichtigste im modernen Fussball?
Man kann hervorragend organisiert sein und dann auf eine Standardsituation ein Tor einfangen, das das ganze Spiel kehrt. Das ist ja das Schöne, dass der Fussball nach wie vor sehr unberechenbar bleibt. Organisation ist eine wichtige Komponente, aber nicht die entscheidende. Für mich ist das Zwischenmenschliche wichtiger: wie das Team, die Hierarchien und die Aufgabenteilung funktionieren. Die Franzosen waren gut organisiert, aber ihnen fehlte das Teamwork, sie konnten ihre einzelnen Stärken nicht in einer Mannschaft zusammenbringen. Die Griechen waren schon immer gute Fussballer, aber im Gegensatz zu jetzt waren sie nie ein Team.

Wenn zwei gut organisierte Teams aufeinander treffen, machen oft ein, zwei Spieler den Unterschied. Wer hat Sie an der EM beeindruckt?
Sicher Milan Baros mit seinen Toren. Obwohl er noch jung ist, macht er alles sehr cool. Dann Zlatan Ibrahimovic mit seinen Toren und Dribblings und Ruud Van Nistelrooy als klassischer Strafraumstürmer. Auch Zidane, obwohl er am Schluss nicht mehr gut spielte, hat Spiele entschieden.

Das sind alles offensive Spieler.
Mir gefiel auch der Däne Thomas Gravesen ausgezeichnet. Das ist ein unermüdlicher Kämpfer, Ballverteiler und ein super Mitspieler. Solche Spieler gehen oft vergessen, aber ich finde sie ebenso wertvoll wie diejenigen, die Tore schiessen. Gravesen ist kein Stern, den man leuchten sieht. Er ist der Himmel, der den Stern trägt.

Einige Sterne wie Baros oder Wayne Rooney strahlen nun noch heller und werden besser dotierte Verträge aushandeln. Wie haben Sie Vertragsverhandlungen erlebt?
Wenn du einen Spielerberater hast, der dich im Markt positioniert, dann bist du viel präsenter. Der kennt die andern Verträge und kann darum bessere Konditionen aushandeln. Ich hatte nie einen Spielerberater. Beim FC Winterthur habe ich meine Verträge selber ausgehandelt. Das ist auch ein Grund dafür, dass ich schon seit sechs Jahren hier bin: Als der FC Winterthur vor drei Jahren in die grosse finanzielle Krise geriet, schickte man alle weg, die viel verdienten. Ich durfte bleiben, wohl weil ich schlecht im Verhandeln bin. Aber ich habe mich nie betrogen gefühlt. Für mich stimmten die Verträge.

In zwei Wochen beginnt in der Schweiz die neue Saison. Was sind Ihre Ziele mit dem FC Winterthur?
In erster Linie wollen wir nicht wieder in den Abstiegskampf verwickelt werden. Ich selber will jedes Spiel gewinnen. Das Fussballerleben ist viel schöner, wenn du gewonnen hast: deine Stimmung, wie du spielst, wie gerne du trainierst ... Wenn man ständig verliert, gibt es sehr schnell Reibereien. Wir sind ja doch zwanzig Männer, die jeden Tag auf engstem Raum zusammen sind. Darum muss das Ziel sein, diese Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten – und das macht man mit Siegen. Am liebsten würde ich gegen Sion gewinnen, weil sie ein Riesenbudget haben und so viele Spieler kaufen. Es ist immer schön, wenn man den Grössten und Reichsten schlagen kann.

Dann wünschen wir Ihnen, dass Sie gegen Sion ein Tor schiessen.
Ich nehme es mir fest vor.

Robert Huber, 29, ist Aussenverteidiger und Captain des Challenge-League-Klubs FC Winterthur.