Holz im Bau: Von wegen «heimisch»

Nr. 4 –

Der Holzbau boomt in der Schweiz. Tatsächlich hat Holz als Baustoff viele Vorteile. Aber das meiste wird aus dem Ausland importiert. Transparenz dazu gibt es kaum, und Nachhaltigkeit ist selten garantiert. Expeditionen in eine Wirtschaft, in der alles grün scheint.

Holzsorten in der Ausstellung «Touch Wood»
Bauen mit Holz ist schon das halbe Marketing: Holzsorten in der Ausstellung «Touch Wood», die 2022 im Zentrum Architektur Zürich zu sehen war. Foto: nakarin.ch

Aus den Fenstern des «Krokodils» hängen Fahnen zur Konzernverantwortungsinitiative. Daneben lädt ein öffentlicher Platz mit viel Grün und einem Pavillon zum Verweilen ein. Das «Krokodil» ist eines der ersten Gebäude des neuen Lokstadt-Quartiers in Winterthur, das Implenia entwickelt und gebaut hat – ein Vorzeigeprojekt. Zu dritt führen Vertreter:innen des grössten Schweizer Baukonzerns über das Areal. Das ganze Gelände wird nach den Richtlinien der «2000-Watt-Gesellschaft» bebaut, die Gebäude sollen «durch und durch nachhaltig» sein.

Das «Krokodil» mit rund 250 Wohnungen ist bereits bezogen. Dass es aus Holz gebaut wurde, sieht man von aussen nicht. Implenia als Bauherrin habe sich unter anderem aus ökologischen Gründen für Holz entschieden, sagt die Mediensprecherin Eva Heimrich. Sie betont, wie wichtig Nachhaltigkeit für Implenia sei. Dank des Holzbaus habe der CO₂-Ausstoss gegenüber konventioneller Bauweise wesentlich reduziert werden können.

Modell für das weltweit höchste Wohnhaus aus Holz im Winterthurer Lokstadt-Quartier
Im Winterthurer Lokstadt-Quartier soll das weltweit höchste Wohnhaus aus Holz entstehen: Modell eines im Wettbewerb unterlegenen Projekts. (Alle Modelle: Ausstellung «Touch Wood» im Zentrum Architektur Zürich.) Foto: Nakarin.ch

So stark wie Stahlbeton

Der Holzbau boomt. Bei öffentlichen Gebäuden wuchs die verbaute Holzmenge zwischen 2012 und 2018 um mehr als siebzig Prozent, rund ein Viertel der neuen Schulhäuser sind aus Holz gebaut, Tendenz zunehmend. Beliebt ist vor allem das Holz von Fichten. Heute lassen sich selbst Hochhäuser aus Holz konstruieren. Beim Brandschutz, lange Zeit eine Schwäche, ist Holz inzwischen sehr sicher. Verbessert haben sich auch seine statischen Eigenschaften.

In Winterthur zeigt ein Implenia-Ingenieur auf einen rund dreissig Zentimeter dicken Balken. «Diese Hochleistungsstütze hat ein Traggewicht von 530 Tonnen.» Der Balken besteht nicht aus Massivholz, sondern aus dünnen Schichten, die zusammengeleimt wurden. Diese Konstruktionsweise und die Verwendung von hartem Buchenholz ermöglichen die hohe Tragfähigkeit, die früher nur Beton, kombiniert mit Stahl, erreichte. Dank seiner Materialeigenschaften und digitaler Planungstechnik lasse sich mit Holz heute sehr präzise bauen, erklärt der Ingenieur. Ein weiterer Vorteil ist die Vorfertigung: Decken- oder Wandelemente werden in der Werkstatt vorproduziert und auf der Baustelle innert kurzer Zeit eingebaut.

Zudem gilt Holz als nachhaltiger Baustoff. Besser wäre es zwar, zuvor schon genutzte Bauteile wiederzuverwenden und bestehende Häuser gar nicht erst abzureissen (siehe WOZ Nr. 20/22), aber im Gegensatz zu anderen Materialien wächst Holz nach. Und während bei der Betonherstellung gigantische CO₂-Emissionen entstehen (siehe WOZ Nr. 20/21), bindet Holz CO₂ – rund eine Tonne des Treibhausgases pro Kubikmeter. All dies sind angesichts der Klimakrise Trümpfe – respektive: das halbe Marketing. Die Branche suggeriert zudem gerne, das Holz sei heimisch.

Auch Implenia versprach: Das Ziel sei, für das «Krokodil» mehrheitlich Holz aus der Schweiz zu verwenden. Das Material werde «aus der näheren Umgebung» stammen, auch aus Süddeutschland. Das «Krokodil» steht exemplarisch für die unzähligen – auch prestigeträchtigen – Holzbauten, die in den letzten Jahren in der Schweiz errichtet wurden. Und typisch ist auch, dass im «Krokodil» dann mehrheitlich Holz verbaut wurde, das Hunderte von Kilometern entfernt gewachsen war. Zur genauen Holzherkunft will Implenia keine Angaben machen. Es fragt wohl auch kaum je eine Person danach – meist interessierten sich weder Bauherren noch Architektinnen dafür, woher das Bauholz stamme, sagen verschiedene Holzbauexpert:innen.

Einer von ihnen ist Stefan Zöllig, Gründer und Mitinhaber des renommierten Schweizer Holzbauingenieurunternehmens Timbatec. Er engagiert sich dafür, dass Schweizer Holz verbaut wird. «In der Schweiz sehen Sie ja von praktisch überallher Wald. Es leuchtet mir nicht ein, wie man sich für Holz entscheiden kann, das nicht hier wächst.» Es gebe aber Bauherren, die das absolut nicht wollten, und auch sein Berufsstand, die Holzbauingenieur:innen, sei dafür verantwortlich: «Wenn wirs nicht richtig ausschreiben oder die Offerten nicht genau kontrollieren, kommt oft kein einziges Brett aus der Schweiz.» Sogar bei seinem eigenen Wohnhaus sei ihm das passiert: «Wir hatten vertraglich festgehalten, dass das Gebäude aus Schweizer Holz sein soll. Irgendwie kontrollierten wir es dann aber nicht mehr genau, und am Schluss realisierten wir: Von den 230 Kubikmetern stammen 100 Kubikmeter nicht aus der Schweiz.»

Urwald in Gefahr

Eigentlich könnte in der Schweiz viel mehr Holz nachhaltig für den Bau gewonnen werden. Aber ein Teil des besten Holzes wird exportiert, anderes importiert. Denn es mangelt an Verarbeitungsbetrieben (siehe WOZ Nr. 15/19). Die hiesige Waldwirtschaft war jahrzehntelang ein Verlustgeschäft. Während etwa in Österreich riesige Holzkonzerne entstanden sind, gerieten die kleineren Schweizer Verarbeiter immer mehr unter Druck. «Der Bestand an Sägereien ist in den letzten dreissig Jahren um zwei Drittel gesunken», sagt Michael Gautschi, Direktor des Verbands Holzindustrie Schweiz. Es sei fast unmöglich, ein Gebäude nur aus Schweizer Holz zu bauen, viele Produkte seien schlicht nicht erhältlich. Der wichtigere Grund, warum vor allem ausländisches Holz verbaut wird, ist laut Ingenieur Stefan Zöllig aber der Preis: «Importholz ist ein bisschen günstiger als einheimisches, vielleicht zehn bis zwölf Prozent. Wenn der Bauherr sagt, man müsse an allen Ecken und Enden sparen, dann spart man eben auch beim Holz.»

Die Berner Fachhochschule hat berechnet, dass 2018 hierzulande 1,5 Millionen Kubikmeter Holz im Bauwesen benötigt wurden, was etwa einer halben Million Fichten der gefragten Grösse entspricht. Die Nachfrage nach Holz steigt von Jahr zu Jahr, zwischen 2012 und 2018 um insgesamt zehn Prozent. 2018 wurden rund siebzig Prozent des Bauholzes importiert. Das meiste stammt laut aktuellen Angaben der Weltbank aus Deutschland, gefolgt von Österreich, Frankreich und Italien, auch Polen gehört zu den Top-Ten-Herkunftsländern.

Modell für die neue Geschäftsstelle des Schweizerischen Nationalfonds, Bern Wankdorf
Eine Tragfähigkeit, die früher nur Beton, kombiniert mit Stahl, erreichte: Wettbewerbseingabe für die neue Geschäftsstelle des
Schweizerischen Nationalfonds, Bern Wankdorf.
Foto: Nakarin.ch

Der steigende Bedarf an Holz hat Folgen: Laut einer Studie der gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission haben Kahlschläge in Europa zwischen 2016 und 2018 um die Hälfte zugenommen, besonders in Finnland und Schweden, aber auch in Litauen, Estland und Polen. In einer aktuellen Studie fokussiert Greenpeace auf die Entwaldung in den Karpaten, wo im Gegensatz zu Nordeuropa nach dem Kahlschlag oft nicht einmal mehr Jungbäume gepflanzt werden. Dort wird vermehrt auch in Urwäldern abgeholzt. Insgesamt ist laut Greenpeace in den letzten zwei Jahrzehnten eine Fläche von 7350 Quadratkilometern verloren gegangen, das ist mehr als jene des Kantons Graubünden. Auch aus Karpatenländern gelangen Holz und Holzprodukte in die Schweiz. Besonders von Rumänien ist bekannt, dass teils mit mafiösen Methoden und brutaler Gewalt Holz geerntet wird, westliche Konzerne gehören zu den Abnehmern.

Während Holzbau als Mittel im Kampf gegen die Klimakrise gesehen wird, geht gerne vergessen: Wald ist weit mehr als Baumstämme und Holz. Insbesondere Urwälder sind wertvolle Lebensräume seltener und bedrohter Pflanzen- und Tierarten. Ausserdem ist im Waldboden mehr CO₂ gespeichert als in der überirdischen Biomasse. Als ob die zunehmende Trockenheit und die Hitze die Wälder nicht schon genug belasten würden, könne auch legal betriebene Forstwirtschaft ihre Widerstandskraft zusätzlich strapazieren, sagt Pierre Ibisch, Waldökologe und Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung im deutschen Eberswalde. «Problematisch ist nicht nur der Kahlschlag, sondern auch die zunehmende Zerschneidung der Wälder mit Forstwegen, um in schwieriger zugängliche Waldbereiche vorzudringen, und die Bodenverdichtung durch die schweren Forstmaschinen.» Oder auch, dass ganze Waldstücke nach Käferbefall oder Sturm quasi leer geräumt würden, wodurch man auch die Wasserspeicherfunktion des Waldes stark beschädige. «Im schlimmsten Fall heizen sich die Flächen so sehr auf und trocknen so stark aus, dass eine Wiederaufforstung nicht gelingt.» Diese Vorgänge beobachtet Ibisch auch in deutschen Wäldern, wo das meiste in die Schweiz importierte Holz herkommt.

Swiss Krono weicht aus

Woher genau stammt denn nun eigentlich das Holz für das Winterthurer «Krokodil», das laut Ankündigung von Implenia in Schweizer Wäldern hätte wachsen sollen? Anfrage bei der Hasslacher-Gruppe, die den Grossteil des verwendeten Rohstoffs – Brettsperrholz aus Fichten – lieferte. Sie hat Standorte in Österreich, Deutschland, der Slowakei und Russland. Hasslacher gibt an, das Holz stamme aus einem Umkreis von rund 150 Kilometern um das Sägewerk in Sachsenburg im österreichischen Oberkärnten. Der allergrösste Teil sei aus Österreich, aber «aufgrund der Grenznähe kommt das Holz auch aus Slowenien». Der zweite wichtige Lieferant war Binderholz. Die österreichische Firma – nach eigenen Angaben der grösste Holzkonzern der Welt – wollte zuerst «aufgrund des Datenschutzes» keine Auskunft geben. Schliesslich gab Binderholz als Herkunft Österreich, die Schweiz, Deutschland und Südtirol an – ohne weitere Details.

Wie bei anderen Rohstoffen ist es auch in der Holzlieferkette schwierig, Transparenz herzustellen, gerade bei importierten Produkten. Das zeigen die Kontrollen der Deklarationen. In der Schweiz müssen Holzanbieter den Kund:innen gegenüber wenigstens das Herkunftsland und die Holzart angeben. Doch Holzbauunternehmen, besonders kleinere Zimmereien, halten sich oft nicht daran. Bei ihnen hat die Kontrollstelle des Bundes eine «hohe Unkenntnis der Vorschriften festgestellt». Viele Betriebe machten ihrer Kundschaft gegenüber gar keine Herkunftsangaben. Nur rund jede sechste Deklaration war korrekt. Konsequenzen hat das kaum. Fehlbare Betriebe werden lediglich aufgefordert, die Deklaration nachzureichen.

Besonders schwierig nachzuvollziehen ist die Herkunft bei zusammengesetzten Produkten wie OSB-Platten, die im Bau häufig eingesetzt werden. Für sie gilt keine Deklarationspflicht. OSB-Platten bestehen aus langen Holzspänen, die gepresst und verleimt werden. Oft wird dabei Holz aus verschiedenen Quellen miteinander verarbeitet. Ein führender Anbieter ist Swiss Krono. Das Schweizer Unternehmen hat neben einer riesigen Industrieanlage im luzernischen Menznau diverse Produktionsstätten in Osteuropa. 2018 warf die britische NGO Earthsight Swiss Krono heikle Geschäftspraktiken vor (siehe WOZ Nr. 40/18). Danach gefragt, wo die in der Schweiz verkauften OSB-Platten produziert würden und woher das verarbeitete Holz stamme, weicht das Unternehmen aus. Auch nach Wochen und mehrmaligem Nachhaken beantwortet es die Frage nicht.

WWF versus Deutschland

Fälle von Bauholz aus illegalem Schlag sind in der Schweiz bisher nicht bekannt geworden. Allerdings ist die Einfuhr von illegalem Holz erst seit Anfang des letzten Jahres explizit verboten. Die neue Holzhandelsverordnung orientiert sich an der «Timber Regulation» der EU (EUTR). Wer Holz einführt, muss eine Sorgfaltsprüfung vornehmen. Bei Ländern, die als korruptionsanfällig gelten oder aus denen es Hinweise auf illegalen Holzschlag gibt, muss belegt werden, dass das Holz nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herkunftslands geschlagen wurde – was je nach Land keine Garantie gegen Kahlschlag ist. Der Bund will die Einhaltung der Holzhandelsverordnung mittels Stichproben sicherstellen. Für Vollzug und Kontrollen stehen gerade einmal 200 Stellenprozente zur Verfügung. Ein Blick in den Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International – ein wichtiges Hilfsmittel bei der Risikobewertung – zeigt, dass diverse Importländer hier schlecht dastehen: neben Russland, der Ukraine und Rumänien auch Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien und Ungarn. Nicht viel besser schneiden die Slowakei, Tschechien, Polen und Slowenien ab.

Ob die Holzhandelsverordnung greift, ist mit Blick auf die Erfahrungen im Ausland zumindest fraglich. Denn die EU-Verordnung EUTR hat laut verschiedenen NGOs ihr Ziel verfehlt. Das Fazit des britischen Holzhandelsexperten Simon Counsell ist vernichtend: «Der illegale Holzhandel konnte kaum eingedämmt werden. Und die Holzproduktion ist insgesamt nicht nachhaltiger geworden. Die Verordnung wird weithin als unwirksam angesehen.» Der WWF hat bei der EU-Kommission sogar Beschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland eingelegt, weil die Verordnung nicht ausreichend umgesetzt werde. «Sie ist im Kern gut, in der Praxis gibt es aber zu viele Schlupflöcher», sagt Johannes Zahnen vom WWF Deutschland. Er beklagt die schlechte Umsetzung, viel zu lasche Kontrollen und zu milde Strafen.

Modell in Detailansicht des geplanten Campus der Berner Fachhochschule in Biel
Wird jetzt wahrscheinlich doch nicht mit Holz aus dem Kanton gebaut: Detailansicht des geplanten Campus der Berner Fachhochschule in Biel. Foto: Nakarin.ch

Da ist es doch besser, man baut mit Schweizer Holz. Das war ursprünglich auch der Plan für den neuen Campus der Holzfachleute in Biel. Die Ausbildungsstätte ist eine Abteilung der Berner Fachhochschule. An der Branchenmesse «Holz 2022» in Basel war die Schule mit einem Stand präsent. Auf die Frage, woher das Holz für den neuen Campus stammen werde, antwortete ein Mitarbeiter zackig und sehr überzeugt: «Aus der Region selbstverständlich!» In der Tat ist der Bauherr – der Kanton Bern – grösster Waldbesitzer der Schweiz. Und tatsächlich sollte der neue Campus in Biel ursprünglich mit Holz aus dem eigenen Forst gebaut werden. Es war bereits bestellt, die Bäume im Wald ausgewählt. Dann wurde das Bauvorhaben gestoppt – unter anderem wegen der Kosten. Jetzt muss die Baudirektion des Kantons das Holz neu bestellen. Man plane nicht mehr, mit eigenem Holz zu bauen, sagt der kantonale Gesamtprojektleiter Pascal Mazenauer. Natürlich könne man mit einheimischem Holz am Ausschreibungsprozess teilnehmen, «bietet ein Anbieter aber kein Schweizer oder Berner Holz an, wird er deswegen nicht benachteiligt, denn es gelten nur die zwingenden Vorgaben».

Das Gleichbehandlungsgebot im öffentlichen Beschaffungsrecht ist ein wichtiger Treiber für die Verwendung von ausländischem statt Schweizer Holz. Gemeinden, Kantone und Bund müssen sich bei Bauvorhaben an die Regeln der Welthandelsorganisation halten – diese verbieten unter anderem die Bevorzugung lokaler Anbieter. Eine Gemeinde, die ein Schulhaus baut, kann das Holz also nicht einfach bei einem nahen Forstbesitzer einkaufen. Hingegen kann sie das Holz aus dem eigenen Wald nehmen, wenn sie einen solchen hat, man spricht dann von «Inhouse-Beschaffung».

Bis vor kurzem waren auch in der öffentlichen Beschaffung meist die Preise entscheidend. Bei vergleichbaren Offerten bekam das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag. Im revidierten Beschaffungsrecht sind die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung nun höher gewichtet, verlangt wird jetzt das «vorteilhafteste» Angebot. Das sollte den Kanton Bern eigentlich bestärken, eigenes Holz zu verwenden. Kommt dazu, dass der Grosse Rat 2017 entschieden hatte, das Holz sei vom Kanton als Eigenleistung für das Projekt zur Verfügung zu stellen. Die Baudirektion will aber auf Nummer sicher gehen, und laut Pascal Mazenauer ist importiertes Holz nun mal günstiger und mit weniger (Kosten-)Risiken zu haben. Die Nachhaltigkeit soll beim definitiven Entscheid für ausländisches Holz dennoch gewährleistet sein: indem das FSC- oder das PEFC-Label berücksichtigt wird. Diese beiden Nachhaltigkeitslabels und das Label «Schweizer Holz» gelten in der öffentlichen Beschaffung als gleichwertig.

Genügen die Labels?

In der Ökobilanz macht die Holzherkunft allerdings viel aus. Das Schweizer Forschungsunternehmen Treeze hat errechnet, dass sich die Treibhausgasbilanz um mehr als die Hälfte verschlechtert, wenn verarbeitetes Holz aus Deutschland anstelle von solchem aus der Schweiz verwendet wird, dies wegen des schmutzigeren Energiemixes in Deutschland und des Transports. Kommt das Holz aus Ungarn, verursache dies sogar achtzig Prozent mehr Treibhausgase. Treeze macht auch Aussagen zur Umweltbelastung je nach Forstwirtschaft: «Durch die forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes wird der natürliche Lebensraum des Waldes verändert und somit die Artenvielfalt beeinträchtigt. […] Je intensiver der Wald forstwirtschaftlich genutzt wird, desto stärker ist die Beeinträchtigung.»

Weil es für Bauherrschaften zu aufwendig wäre, selber sicherzustellen, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt, wird diese Verantwortung an Labels delegiert. Gespräche mit zahlreichen Architektinnen und Holzbauern legen den Schluss nahe: Nicht nur für den Kanton Bern, sondern im Bauwesen generell gelten FSC und das weniger strenge Industrielabel PEFC als Garant für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes; woher das zertifizierte Holz dabei genau stammt, scheint keine Rolle zu spielen. Das ist erstaunlich, denn in den vergangenen Jahren sorgten Studien und Berichte aus verschiedenen europäischen Ländern immer wieder dafür, dass das Vertrauen in die Labels strapaziert wurde. Einmal ging es um Kahlschlag in Schweden oder Russland, dann um die Zerstörung der letzten Urwälder in Osteuropa. Die Holzkonzerne hätten offensichtlich Mühe, zeitgemässe Transparenz in die Lieferketten zu bringen und anzuerkennen, dass die Systeme reformbedürftig seien, sagen NGOs wie Greenpeace, Earthsight oder die Environmental Investigation Agency.

Olin Bartlomé von FSC Schweiz bestätigt, dass es im jetzigen System kaum möglich ist, die Herkunft von Holzbauteilen herauszufinden: «In Brettern und Holzwerkstoffplatten ist Holz verschiedenster Stämme verarbeitet.» Dass FSC in Ländern wie Rumänien an seine Grenzen stösst und dass FSC-Holz aus Kahlschlag stammen kann, wenn das Herkunftsland dies erlaubt, bestreitet er nicht: «FSC International ist sich der Probleme bewusst und arbeitet genau deshalb an Verbesserungen in diesen Regionen. Sich aus ihnen zurückzuziehen, kann aber nicht die Lösung sein.» FSC befürworte in jedem Fall die regionale Nutzung von Holz. Allerdings müsse man auch beim Label «Schweizer Holz» genauer hinschauen. Tatsächlich dürfen Bauteile, die damit ausgezeichnet sind, zu zwanzig Prozent aus ausländischem Holz bestehen, Gebäude sogar zu vierzig Prozent.

Das mit Abstand am meisten in der Schweiz verbaute ausländische Holz stammt aus Deutschland. Eine Rückverfolgung bis zum Ursprung könnte auch bei deutschem Holz für Überraschungen sorgen. Denn die dortige Waldwirtschaft scheint längst nicht so nachhaltig, wie Baubranche und Bauherren der öffentlichen Hand glauben. Laut der Forstexpertin Susanne Winter vom WWF Deutschland sind die Wälder übernutzt. Maximal achtzig Prozent des Zuwachses, besser aber weniger, dürften geschlagen werden. Das werde heute überschritten. Wichtige Schutzziele würden nicht erfüllt, und der für die Biodiversität wichtige Anteil von alten Laubwäldern sei viel zu gering. Ähnliche Kritik gibt es aus Österreich, wo Holzprodukte ein wichtiges Exportgut sind.

Der Waldschutz steht im Widerspruch zur zunehmenden Nachfrage: Auch in Europa werden die Wälder für immer mehr industrielle Verwendungen von Holz ausgebeutet, etwa für Verpackungskarton, Brennmaterialien, Zellstoffe für Kleider und sogar für Treibstoff.

«Keine Ausreden mehr»

Holz nachhaltig zu ernten, um es zu verbauen, sei das Beste, was man damit tun könne, ist der Holzbauingenieur Stefan Zöllig überzeugt. Er engagiert sich im Industrieverband Lignum dafür, dass mehr Schweizer Holz dem Bau zugeführt wird, das sei «jedenfalls viel sinnvoller, als es zu verbrennen». In der Tat setzt man durch die Verbrennung das CO₂ frei, das in vorherigen Jahrzehnten im Holz eingelagert wurde. Beim Bauen hingegen bleibt wenigstens das im Stamm gespeicherte Klimagas gebunden, solange das Haus stehen bleiben darf. Das macht angesichts der kurzen Zeit, in der die Emissionen auf netto null sinken müssen, einen grossen Unterschied.

Auch im «Krokodil» in Winterthur ist CO₂ gespeichert. Weitere Emissionen können dank der Bauweise gespart werden: Hier sind Holzelemente verbaut, die dereinst wieder auseinandergenommen und weiterverwendet werden können – noch ist das keine Selbstverständlichkeit. Dass dafür ausländisches Holz verwendet wurde, liege an fehlenden Industriekapazitäten in der Schweiz und an der Planung, sagt Andreas Burgherr von Timbatec, der in den Bau involviert war. Doch nun werde die Industrie hierzulande wieder ausgebaut: «In einigen Jahren wird man auch ein so grosses Holzgebäude wie das ‹Krokodil› mit hiesigem Holz bauen können. Dann gibt es keine Ausreden mehr.» Bestärkt wird Burgherr vom Bundesrat, der im Dezember geschrieben hat: «Private Bauherren sollen stärker auf einheimisches Holz aufmerksam gemacht werden.»

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Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von JournaFONDS recherchiert und umgesetzt.

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