Winterolympia­fieber im Hochsommer

Während die repräsentierende Politik derzeit vor allem dem Hedonismus frönt (siehe Tagestext von gestern), statt über relevante politische Inhalte wie die Teuerung, den Lehrer:innenmangel oder die Herausforderungen der Klimakrise zu debattieren, drängt ausgerechnet der Schweizer Wintersport bei Temperaturen über dreissig Grad ins globale Rampenlicht. Über die Sonntagszeitungen pushten die beiden mächtigen Verbände Swiss Olympic und Swiss Ski die bisher vage Absicht, im Jahr 2030 Olympische Winterspiele in der Schweiz zu organisieren: dezentral in allen vier Landesteilen und unter Berücksichtigung bereits bestehender Infrastruktur. Auch Sportministerin Viola Amherd (Mitte) soll dieses Anliegen unterstützen.

Tatsächlich klingt die Idee erst mal verlockend. Bisher fanden die Olympischen Winterspiele immer an zentralen Orten statt – zuletzt in Peking (44 Meter über Meer), Pyeongchang (700 Meter über Meer) und Sotschi (direkt am Schwarzen Meer) –, an denen sehr viel und sehr teure Infrastruktur aufgebaut werden musste, die danach kaum noch Verwendung fand. Dieses ökologisch, wirtschaftlich und auch politisch ruinöse Konzept ist mittlerweile zu einem Auslaufmodell geworden: Jedenfalls sucht das zuständige Internationale Olympische Komitee (IOC) für die 26. Austragung im Jahr 2030 zunehmend verzweifelt ein dazu bereites Land. Die mögliche Bewerbung der Schweiz ist vor diesem Hintergrund äusserst chancenreich.

Für Euphorie ist es allerdings noch viel zu früh. Ob die Winterspiele wirklich deutlich nachhaltiger und ohne hohe Kosten für die öffentliche Hand organisierbar sind, wird erst ein detailliertes Konzept zeigen. Bis dahin sind sämtliche Aussagen dazu reine PR.

Letztlich steht auch die Frage im Raum, wie sinnvoll es ist, sich dem IOC zu unterwerfen. Denn die Organisationshoheit der Winterspiele liegt in den Händen des autoritär verfassten Verbands mit Sitz in Lausanne. Dieser sorgt immer wieder für Korruptions- und Dopingaffären oder dient sich autoritären Regimes an. Aktuell fordert der IOC-Chef und ausgemachte Putin-Freund Thomas Bach vehement die Teilnahme russischer Sportler:innen an den Sommerspielen in Paris 2024 – und zeigt sich immun gegen jegliche Kritik an seiner Forderung. Am Ende werden das IOC und Bach den Winterspielen ihren Stempel aufdrücken – und nicht die Eidgenossenschaft oder Amherd.