Wer, wenn nicht Afghaninnen?

Die europäische Asylagentur EUAA hat ziemlich genau vor einem Jahr einen Leitfaden für Asylverfahren von geflüchteten Afghaninnen erarbeitet. Sie empfahl angesichts des frauenfeindlichen Regimes der Taliban, Frauen aus Afghanistan den Anspruch auf Flüchtlingsstatus in europäischen Ländern zu gewähren. Im Lauf des Jahres sind Deutschland und Dänemark dieser Empfehlung gefolgt, im Juni beschloss, dann auch die Schweiz und das Staatssekretariat für Migration (SEM), die einzelnen Asylanträge von Afghaninnen künftig vor dem Hintergrund dieses Leitfadens zu beurteilen. Wegen ihrer gewaltvollen und systematischen Diskriminierung unter den Taliban eigentlich doch eine vernünftige und nachvollziehbare Praxisänderung, oder?

Asylpolitische Hardliner gingen dennoch dagegen auf die Barrikaden: Zunächst wurde die Entscheidung des SEM in der «Weltwoche» medial skandalisiert, und im Anschluss folgten politische Vorstösse, um den Entscheid des SEM rückgängig zu machen. Dies allein ist ein fragwürdiges Vorgehen: Seit wann ist es Aufgabe des Parlaments und seiner Kommissionen, konkrete Praxisentscheide einzelner Bundesämter zu kontrollieren oder gar zu revidieren? Aber auch inhaltlich war die Motion von SVP-Nationalrat Gregor Rutz bedenklich, wollte sie doch das provisorisch gestärkte Recht auf Asyl für Afghaninnen wieder abschwächen. Angesichts der katastrophalen rechtlichen und sozialen Situation der Frauen in Afghanistan ein unverständliches Manöver. 

Letzte Woche nun hat die Staatspolitische Kommission die Motion Rutz knapp mit dreizehn zu zwölf Stimmen abgelehnt. «Die Kommission bestreitet die schlimme Situation für Frauen in Afghanistan nicht und verlangt auch nicht, dass diese Praxisänderung grundsätzlich rückgängig gemacht wird», schreibt sie in einer Medienmitteilung. Die Kommission hat aber selbst eine neue Motion formuliert, mit der sie sicherstellen will, dass Gesuche weiterhin einzeln geprüft und nachziehende Ehemänner einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Zudem sollen Afghaninnen, die sich in Drittstaaten aufgehalten haben, aufgrund ihrer persönlichen Verfolgungssituation in Afghanistan beurteilt werden. Alles Praktiken, die bereits in Anwendung sind. 

Die Entwicklungen von letzter Woche können also durchaus als Bestätigung der bestehenden SEM-Praxis interpretiert werden. So kommentierte die SP die Entscheidung auf X dann auch mit den Worten: «Gut, schützt die Staatspolitische Kommission das Recht auf Asyl.» Gregor Rutz seinerseits bedauert in einem Schreiben die Ablehnung seines Vorstosses, freut sich aber zugleich über die neue Motion, die er so darzustellen versucht, als würde sie die bestehende SEM-Praxis ins Visier nehmen. Und fügt an: «Ziel unserer Asylpolitik muss sein, denjenigen Menschen Schutz zu gewähren, die ihn benötigen.» Nun, wo Rutz recht hat, hat er recht. Nur: Wem will dieses Land eigentlich überhaupt noch Asyl gewähren, wenn nicht Afghaninnen?