Schützt den Schutzstatus!

«Roma stehen im Verdacht, Schutzstatus S zu missbrauchen», heisst es am Montag im «Tages-Anzeiger». «Weil Roma das Schweizer System ausnutzen: Der Schutzstatus S soll überprüft werden», schreibt dann auch NZZ online gleichentags. Heute Vormittag macht «20 Minuten» dann klar, woher der Wind weht: «SVP will Schutzstatus ‹deaktivieren›, um Missbrauch zu verhindern».

Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Schweiz im März 2022 erstmals den Schutzstatus S aktiviert: Im Gegensatz zur allgemeingültigen Praxis, wonach Asylgesuche grundsätzlich als einzelne Fälle beurteilt werden, ermöglicht dieser eine provisorische Aufnahme ohne Durchführung eines regulären Asylverfahrens. Es handelt sich dabei um eine temporäre humanitäre Aufnahme von Personengruppen, bei denen sich die Flüchtlingseigenschaft dadurch ergibt, dass sie aus einem Staat in die Schweiz gekommen sind, der akut von einem laufenden Krieg betroffen ist.

Wenig überraschend hat die SVP regelmässig Angriffe auf den Schutzstatus S lanciert. Der aktuelle Argwohn jedoch geht nicht von ihr aus: Nachdem Boris Tschirky, Fraktionspräsident der Mitte im St. Galler Kantonsrat, kürzlich eine Anfrage zur Überprüfung des Schutzstatus S eingereicht hat, fordert nun auch sein Parteikollege Ständerat Benedikt Würth auf nationaler Ebene Massnahmen.

Seit März 2022 haben laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) gut 100 000 Menschen aus der Ukraine Schutz in der Schweiz gesucht. Erst seit kurzem würden nun Probleme mit missbräuchlichen Gesuchen auftauchen, sagt das SEM. So sollen sich Rom:nja, die nicht aus der Ukraine stammen, Pässe des Landes durch Bestechung besorgt haben. Die Forderung, solche Vorgänge zu untersuchen, ist legitim. Deshalb aber den Schutzstatus S grundsätzlich infrage zu stellen, ist ein Angriff auf geltendes Asylrecht. 

Der aktuelle Diskurs ist auch deswegen besonders perfid, weil er die Rom:nja als Sündenböcke für grundsätzliche Angriffe auf den Schutzstatus S vor den Karren spannt. Genau jene Bevölkerungsgruppe also, die in unterschiedlichen osteuropäischen Ländern systematisch diskriminiert und unterdrückt wird. Auch in der Ukraine leben übrigens Rom:nja, die von russischen Bomben bedroht sind. Es sind schätzungsweise 400 000.