Umfragen hatten ein knappes Rennen um die Präsidentschaft von Uruguay vom vergangenen Sonntag vorausgesagt, aber dann war es doch klarer als erwartet. Yamandú Orsi von der gemässigt linken Parteienkoalition Frente Amplio gewann die Stichwahl mit vier Prozentpunkten Vorsprung auf seinen neoliberalen Gegner Álvaro Delgado vom wirtschaftsliberalen Partido Nacional. Nach fünf Jahren unter dem wirtschaftsnahen Präsidenten Luis Lacalle Pou wird das kleinste Land Südamerikas vom 1. März kommenden Jahres an wieder einen linken Präsidenten haben. Der Frente Amplio hatte schon von 2005 bis 2020 regiert.
Orsis Kandidatur erfuhr grosse Unterstützung von José Mujica. Der ehemalige linke Guerillero hatte von 2010 bis 2015 regiert. Er war nicht nur wegen seines bescheidenen Lebenswandels weit über Lateinamerika hinaus zur Ikone geworden – der Blumenzüchter wohnte auch als Präsident in seiner bescheidenen Dreizimmerwohnung und fuhr mit einem alten VW-Käfer in den Präsidentenpalast. Mujica hatte Uruguay mit seiner sanften Art zum wohl fortschrittlichsten Land Südamerikas gemacht. Unter anderem sorgte die Legalisierung von Marihuana weltweit für Schlagzeilen. Weitaus wichtiger aber waren seine Programme zur Armutsbekämpfung.
Der 89-Jährige, der an Speiseröhrenkrebs erkrankt ist, hat Orsi zu seinem Erben erklärt. Orsi wiederum hat versprochen, Mujicas Sozialprogramme fortzusetzen. Er kommt wie Mujica aus bescheidenen Verhältnissen und hat erklärt, auch er werde als Präsident weiterhin in seiner eigenen Wohnung leben.
Orsis Konkurrenz hatte wenig entgegenzusetzen: Delgados grosses Versäumnis war, dass er eigene Vorschläge und Programme vermissen liess. Im Wesentlichen hatte er vor einer linken Regierung gewarnt. Anders als in Lateinamerika üblich hat Delgado immerhin schnell seine Niederlage eingeräumt. So hat Uruguay auch gezeigt, dass eine Wahl in Lateinamerika mit Programmen und ohne sinnentleerte Polarisierung durch populistische Schreihälse wie Javier Milei in Argentinien oder Jair Bolsonaro in Brasilien entschieden werden kann.
