Etwa achtzig Jahre ist es her, dass einer der Gründungsväter des Neoliberalismus, der adelige August von Hayek, in der Arena der Wirtschaftsparadigmen den Kampf um die besten Ideen ausrief. Was danach geschah, ist bekannt: Nach Jahrzehnten des Neoliberalismus steht die Demokratie nur noch als Schatten ihrer selbst im Ring. Ihr gegenüber stehen: Politiker, die rassistische, misogyne und beizeiten offen rechte Haken schwingen oder gar mit einer Kettensäge am Staatshaushalt, an Umweltgesetzen und Menschenrechten ansetzen – und damit nichts Geringeres als die Demokratie zunichtemachen wollen.
Ja, die extreme und wachsende Ungleichheit ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Das Vertrauen von Menschen in Armut und des sogenannten Mittelstands in politische Institutionen schwindet. Die wachsende ökonomische Kluft wirkt wie Dünger auf dem braunen Nährboden rechtsextremistischer Parteien.
Weder der Wirtschaft noch der Gesellschaft hat der Neoliberalismus gute Dienste geleistet. Einzig die Ungleichheit hat zugenommen und der Überreichtum einiger weniger – mit fatalen Folgen auch für die Umwelt: Je mehr die Vermögensungleichheit wächst, desto mehr gerät das Klima unter Druck. Der Hyperluxuskonsum der einen steht dabei in zynischer Weise in umgekehrtem Verhältnis zum Schaden, den sie damit anrichten. Denn unter dem Klimakollaps leiden nicht allen voran die Verursacher:innen, sondern ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten dazu beitragen. Als Jeff Bezos sich den Spass gönnte, einen Abstecher ins All zu unternehmen, stiess er in nur elf Minuten so viel CO2 aus wie ein Mensch der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung im gesamten Leben.
Die Macht des Systems, in dem wir leben, mag unüberwindbar scheinen. Doch wie die US-Autorin Ursula K. Le Guin uns in Erinnerung ruft, wirkte auch die königliche Macht durch Gottes Gnaden einst unumstösslich. Der Triumph der Demokratie und die Reduzierung der Ungleichheit zur Mitte des 20. Jahrhunderts halten zahlreiche politische wie gesellschaftliche Lehren bereit, aus denen wir Mut schöpfen können – und die ich in den kommenden Wochen im Rahmen dieser Kolumne teilen möchte. Für den Anfang sei das Wichtigste vorangestellt: Was wir in jedem Fall brauchen, sind harte Bandagen im Kampf gegen den kaltherzigen Egoismus unter dem Deckmantel der Freiheit, eine radikale Solidarität – und nicht zuletzt einen langen Atem.
An dieser Stelle lesen Sie immer freitags einen Text von Martyna Berenika Linartas. Linartas forscht zu Vermögensverteilung und Umverteilung. Dazu lehrt sie in Berlin und in Koblenz. 2022 hat sie die Wissensplattform ungleichheit.info mitgegründet. Im Frühjahr 2025 erscheint ihr Buch «Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann».