Plattformregulierungen: Der Bundesrat knickt ein
Wirklich überraschend war das nicht: Gestern hat der Bundesrat entschieden, den lange angekündigten Gesetzesentwurf zur Regulierung von Plattformen erneut zu verschieben. Eigentlich hätte das zuständige Bundesamt für Kommunikation (Bakom) den Entwurf schon 2023 in die Vernehmlassung schicken sollen. Aber während aus dem Departement von Albert Rösti zu manchen Themen schnell grosse Töne zu hören sind (Der Wolf! Die Autobahnen!), wurde es um die Plattformregulierung bald merkwürdig still.
De facto verfügen Meta, X und Co. hierzulande über eine fast uneingeschränkte Markt- und Meinungsmacht. Im Januar veröffentlichte die ausserparlamentarische Eidgenössische Medienkommission (Emek) ein Positionspapier, wie dieser Plattformmacht zu begegnen wäre. Und das Bakom? Liess – einmal mehr – vage verlauten, dass die Vernehmlassung «voraussichtlich in den nächsten Wochen» starten werde.
Jetzt hat also der Bundesrat die Regulierungen vorerst ganz auf Eis gelegt. Laut mehreren Quellen ging die Blockade jedoch nicht von Rösti aus, sondern von Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Aussenminister Ignazio Cassis – sie hätten darauf gedrängt, den Entscheid wegen des Zollstreits mit den USA zu verschieben. Der Bundesrat will sich dazu nicht äussern. Aber der Verdacht liegt nahe, dass er mit seinem Nichtentscheid vor der Trump-Regierung eingeknickt ist.
SP-Nationalrat Jon Pult sprach gegenüber den Tamedia-Onlineportalen denn auch von «vorauseilendem Gehorsam». Auch Algorithm Watch CH kritisiert den Bundesratsentscheid. Das sei eine «enorm riskante Verzögerungstaktik», sagt Angela Müller, Geschäftsleiterin der NGO. Statt die Handlungsfähigkeit und die digitale Souveränität der Schweiz zu stärken und Abhängigkeiten von US-Techkonzernen zu reduzieren, zementiere der Bundesrat diese Abhängigkeiten durch sein weiteres Abwarten.
Im bürgerlichen Lager waren gegen Plattformregulierungen zuletzt zunehmend kritische Stimmen laut geworden. Dabei soll der geplante Gesetzesentwurf viel weniger weit gehen, als das beispielsweise die Emek empfiehlt. Den Marktzugang der Techkonzerne, denen in der EU klare Grenzen gesetzt sind, würde er nicht einschränken. Immerhin soll er aber die Rechte von Nutzer:innen stärken, indem er die Plattformen etwa dazu verpflichtet, eine Kontaktstelle und eine Rechtsvertretung zu benennen.
Das absolute Minimum, könnte man meinen. Offensichtlich hält man in Bern aber lieber an der altbewährten Bücklingstrategie fest. Ob Trump jetzt wohl die Zölle senkt?