Zivildienst: Grundloser Angriff

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Am Dienstag hat die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK-N) einen Entscheid gefällt, der für den Zivildienst existenzielle Folgen haben dürfte. Sie stimmte einer Revision des Zivildienstgesetzes mit insgesamt sechs Massnahmen zu, die nur ein Ziel kennen: den Zivildienst so unattraktiv wie möglich gestalten. Die Revision, massgeblich von SVP-Militärköpfen gezimmert, ist aus zwei Gründen sehr bedenklich: Sie beruht erstens auf einem unhaltbaren Argument und will zweitens ein Problem lösen, ohne dessen Ursache anzugehen.

Zunächst zum Argument der Befürworter:innen. Es lautet: Die Armee könne nicht genug Leute rekrutieren, und eine Armee ohne ausreichenden Personalbestand sei ein Sicherheitsrisiko, gerade in heutigen Zeiten. Eine wirkmächtige Behauptung. Bloss, sie stimmt nicht. Wie mehrere Recherchen der «Republik» in den letzten Jahren aufgezeigt haben, ist aktuell – entgegen der öffentlichen Darstellung von Armee und bürgerlichen Parteien – das Gegenteil der Fall: Die Zahl der Soldaten (und wenigen Soldatinnen) in der Schweizer Armee liegt bei 147’000 und damit um 7000 über dem rechtlich festgelegten Maximum. Der Armeebestand sei auch in naher Zukunft nicht gefährdet, schreibt die «Republik». Bitter, dass diese Fakten eine Mehrheit der SiK-N nicht interessieren.

Nun zum Problem: Jedes Jahr wechseln mehrere Hundert Soldaten noch während der Rekrutenschule oder gleich danach in den Zivildienst. Der sei zu attraktiv, monieren die Armeefreund:innen. Und ignorieren damit die eigentliche Ursache für die vielen Wechsel: Offensichtlich empfinden eine beträchtliche Zahl von Soldaten den Militärdienst nicht als sinnstiftend oder – schlimmer noch – als belastend. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) betreibt eine rege genutzte Soldatenberatung und erhält so einen Einblick in den Armeealltag: «Ernsthafte psychische und physische Beschwerden, die nicht ernst genommen werden, Betriebe, die aufgrund abgelehnter Dienstverschiebungsgesuche vor dem Konkurs stehen oder Kooperationsverweigerungen sind omnipräsent», schreibt die GSoA. Selbst Personen, die die Armee ideell unterstützen, würden sich bei ihr melden, weil die Armeeadministration mit ihren unflexiblen und hierarchischen Strukturen ihnen Steine in den Weg lege.

Die nun aufgegleiste Revision des Zivldienstgesetzes löst die Ursachen und Strukturen hinter dem Problem der vielen Armeeabgänge mitnichten, aber sie zerstört eine ebenso erfolgreiche wie sinnvolle Institution. Noch bis in die neunziger Jahre blieb Militärdienstverweigerern nur ein Weg offen: jener ins Gefängnis. Seit 1996 haben junge Männer mit Schweizer Pass dank des damals eingeführten Gesetzes die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten, wobei dieser anderthalbmal so lange dauert wie der Militärdienst. Statt bewaffnet und uniformiert in Kasernen einzurücken, leisten «Zivis» ihre Einsätze im Gesundheits- und Sozialbereich, in der Erhaltung von Kulturgütern, im Umwelt- und Naturschutz oder auch in der Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe. Jährlich sind bis zu 7000 Zivildienstleistende im Einsatz.

Es ist eine Erfolgsgeschichte. Die wohl schon bald ein politisch erzwungenes Ende finden wird, wenn das bürgerlich dominierte Parlament die Gesetzesrevision annimmt. Ein Happy End ist allerdings noch möglich: Die SP und die Grünen wie auch die GSoA und der Zivildienstverband Civiva haben angekündigt, ein Referendum zu prüfen. An der Urne dürfte der populäre Zivildienst druchaus Chancen haben.