Polen: Präsident von Trumps Gnaden
Die Wahl von Karol Nawrocki zum Staatspräsidenten wird bis zur nächsten Parlamentswahl in zweieinhalb Jahren die polnische Politik bestimmen – und erschüttern. Der formell unabhängige No-Name-Kandidat Nawrocki, faktisch von der seit 2023 oppositionellen rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) aufgestellt, errang im zweiten Wahlgang vom Sonntag 50,9 Prozent der Stimmen. Regierungskandidat Rafał Trzaskowski hatte mit 49,1 Prozent das Nachsehen.
Nawrocki, dem weder seine zwielichtige Strassenboxervergangenheit noch zahlreiche Skandale und Affären geschadet haben, konnte offenbar vor allem viele junge Männer mobilisieren. Letztlich ist der Sieg Nawrockis – vor seiner Nominierung kein Politiker, sondern Chef des Instituts für Nationales Gedenken – vor allem ein Votum gegen die amtierende Dreierkoalition von Premierminister Donald Tusk. Dieser agiert in aussen-, verteidigungs- und migrationspolitischen Fragen ähnlich hart wie die PiS. Gleichzeitig setzt er zu wenig progressive Impulse, um Menschen zu gewinnen, die die PiS und Nawrocki mehr wegen ihres sozioökonomischen Programms wählen als wegen des in der Gruppierung auch wuchernden Nationalismus.
Insbesondere auf drängende sozialpolitische Fragen lieferte die Regierung wenig Antworten und trat etwa bei staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Gesundheitswesen eher als Bremserin auf. Folgerichtig wählten Menschen mit geringerer Bildung und geringem Einkommen mehrheitlich Nawrocki. Dieser wird nun – mit dem präsidialen Blockadehebel bei Gesetzen und seinen Befugnissen bei Armee und Aussenpolitik – der Regierung Tusk das Leben schwer machen. Er dürfte dabei auf Weisungen von PiS-Chef Jarosław Kaczyński setzen, der auf eine Destabilisierung und vorgezogene Neuwahlen zielt.
Aussenpolitisch wird Nawrocki, im Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump unterstützt, die von Tusk eingeleitete dezente Distanzierung von den USA und die Annäherung an Emmanuel Macron, Friedrich Merz und Brüssel konterkarieren – das Trump-Nawrocki-Foto im Oval Office Anfang Mai gabs nicht zum Nulltarif. Der Trumpismus der PiS dürfte nun abermals durchschlagen, mit auch innenpolitisch zersetzender Wirkung.