Gesundheitswesen: Kostenfaktor Mensch

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Man könnte meinen, das sei ein Rohrkrepierer gewesen: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi wollte eine Statistik, die die propagandistische Polemik seiner Partei bestätigen sollte, wonach Ausländer:innen «drastische Auswirkungen auf das Gesundheitssystem» hätten. Das Bundesamt für Statistik (BFS) schlüsselte daraufhin die Nettokosten der Grundversicherung in den Jahren 2019 bis 2022 nach Nationalitäten auf. Das Ergebnis: Die Kosten für Versicherte mit nichtschweizerischer Nationalität sind durchschnittlich 28 Prozent tiefer als jene für Schweizer:innen. Aeschi war das egal, konnte er doch im «Tages-Anzeiger» heute seine Forderung platzieren, Asylsuchenden (um die ging es ihm offensichtlich im Speziellen) medizinische Leistungen zu streichen.

Demgegenüber konnte man in einer «Watson»-Recherche vom Sonntag lesen, welchen Realitäten Asylsuchende punkto Zahnmedizin ausgeliefert sind: So werden ihre schmerzverursachenden Zähne aus Kostengründen teilweise gar nicht behandelt – sondern einfach gezogen. Peter Suter, Kopräsident der Vereinigung der Kantonszahnärztinnen und -ärzten der Schweiz (VKZS), sagt dazu, dass Asylpatient:innen «nicht lukrativ» seien. Für sie gibt es per Gesetz weniger Leistungen, und es kommen nur provisorische oder einfache zahnärztliche Mittel zum Einsatz, wie eben das Ziehen von Zähnen. Höhere Kosten übernehmen die Behörden dagegen kaum. Die Situation sei nicht ideal, sagt Suter, aber es gebe «wirtschaftliche Grenzen».

Es ist eine Binsenwahrheit: Ein auf Profit ausgerichtetes Gesundheitswesen schadet denjenigen am meisten, die ohnehin schon skandalös benachteiligt sind. Und ein Diskurs, in dem – weit über das SVP-Getröte hinaus – Einsparpotenzial hauptsächlich bei Patient:innen gesucht und gefunden wird, legt einen prima Teppich für Ressentiments. Aeschis Forderung nach einer Statistik webt sich nahtlos darin ein: Sie ist, abgesehen von der Aufmerksamkeit für seine grundsätzlichen Ansinnen, auch deshalb kein Rohrkrepierer, weil die Einteilung in Schweizer:innen und Ausländer:innen und eine Liste, auf der Menschen als Kostenfaktoren rangieren, der Rechten sowieso immer nützen.