Bunker, Prepper, Präparate I. Im Berg

wobei 4/

Erich Breitenmoser beim ­getarnten Nordausgang der ­Festung Furggels
Erich Breitenmoser beim ­getarnten Nordausgang der ­Festung Furggels, wo die ­Führungen in der Regel enden …
Erich Breitenmoser im Schacht, der in die untere Etage zu den Schlafsälen und Kantinen führt
… und im Schacht, der in die untere Etage zu den Schlafsälen und Kantinen führt.

«Und steht der Teufel selbst vorm Haus – hier beisst er einen Zahn sich aus»

Inschrift in der Kantine des Bunkers Furggels

Diese Geschichte nimmt ihren Anfang in Berlin, in einem schmucklosen Büroklotz unweit des Brandenburger Tors. Hier hat die Bundestagsabgeordnete Martina Renner ihr Büro. Die Linke-Politikerin aus Thüringen hat sich bundesweit einen Namen als furchtlose politische Kämpferin gegen rechtsextreme Strukturen gemacht.

Renner war für die WOZ mehrmals eine wichtige Auskunftsperson, etwa zu Schweizer Spuren im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen Netzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). An einem Morgen im Juli 2020 schreibt sie uns eine Nachricht – wie immer über den als sicher geltenden Messengerdienst Signal. Sie stecke gerade in einer Recherche über die umstrittene deutsche Söldnerfirma Asgaard. Da gebe es einen Bezug zur Schweiz: «Es geht um eine Bunkeranlage, in der es Schiesstrainings geben soll.» Dann schickt sie mehrere mit einem Handy aufgenommene Fotos.

Eines davon zeigt dunkel gekleidete Männer in einem dunklen Gewölbe, in den Händen halten sie längliche Waffenkoffer; ein anderes Bild zeigt einen hell erleuchteten, breiten Gang, im Hintergrund sind Schiessscheiben auf Holzpaletten montiert, und am Bildrand versammeln sich drei Personen um einen kleinen Tisch, eine trägt Ohrenschützer und hält eine Pistole in der Hand. Auf einem dritten Bild steht eine bekannte Figur aus dem Asgaard-Umfeld mit verschränkten Armen in einem gewölbten Raum vor einer Gruppe von Männern in dicken, dunklen Jacken und einer Wand mit der Aufschrift «Rauchen verboten». Schliesslich schickt uns Martina Renner einen Namen: «Swiss Mountain Fortress».

St. Margrethenberg ob Pfäfers im Sarganserland. Von weitem schon sieht man eine Holzscheune auf einer leichten Anhöhe inmitten einer saftig grünen Wiese. Auf der Weide nebenan grasen Kühe, ein schmaler Bergbach plätschert im Hintergrund vor einem grünen Hang mit einzelnen Baumgruppen, die sich weiter oben zum Wald verdichten. Doch etwas stört die Voralpenidylle: eine Stahlkuppel, aus der ein Kanonenrohr ragt. Der Panzerturm gehört zur Festung Furggels, 1200 Meter über Meer. Hier hat die Schweizer Armee vor über achtzig Jahren eine riesige Bunkeranlage in den Fels gesprengt und gebohrt – ein wahres Gebirgsschlachtschiff.

Kurz vor dem Dorfeingang, direkt am Strassenrand vor einem bewaldeten Steilhang, stossen wir auf eine dunkle Holzbaracke. «Swiss Mountain Fortress» steht in grossen Lettern auf einem Schild an der Holzwand. Die Tür ist verschlossen. Aber ein Zettel neben dem Türrahmen weist darauf hin, dass private Führungen möglich sind.

Mannschaftskantine
Mannschaftskantine: Die Verpflegung der Soldaten fand im Schichtbetrieb statt.

Fragen, die am Fels zerschellen

Die Armee hat die kilometerlange unterirdische Bunkeranlage längst abgestossen. Sie gehört heute Erich Breitenmoser. Der Name sagt uns vorerst nichts. Umso grösser ist das Erstaunen, als wir über eine Namenssuche im Netz nach wenigen Klicks bei Hollywood-Ikone Arnold Schwarzenegger, einem spektakulären Dopingfall und bei Prepper:innen mit Weltuntergangsängsten landen. Und bei der SVP: In seiner Wohngemeinde Widnau, sechzig Kilometer weiter nördlich im Rheintal, präsidiert Breitenmoser die dortige Sektion der rechtsnationalen Partei.

Im November 2022 fragen wir Breitenmoser per E-Mail ein erstes Mal wegen eines Besuchs in seiner Festung an. Zurück kommt eine ebenso knappe wie bestimmte Absage. Eine erneute Anfrage in diesem Frühjahr bleibt unbeantwortet. Unsere vielen Fragen zerschellen an den meterdicken Wänden der «Swiss Mountain Fortress»: Was geht dort drinnen, bis zu 85 Meter tief im Fels, wirklich vor sich? Stimmen die Informationen zum Schiesstraining der deutschen Söldnerfirma? Oder dient die Bunkeranlage tatsächlich als «atomsicherer Standort» für Serverfarmen und Crypto Mining, wie Breitenmoser mittlerweile bei jeder Gelegenheit sagt? Und was ist mit den Prepper:innen, die er während der Coronazeit so offensiv beworben hat?

Wasserfluten über Sargans

Wir beschliessen, uns der Festung erst mal von aussen anzunähern – und ganz von vorne anzufangen: bei der Frage, wieso sich die Schweizer Armee ausgerechnet an diesem abgelegenen Ort im Sarganserland in den Berg bohrte. Und so stehen wir erneut vor der Stahlkuppel inmitten der Wiese.

«Die Artilleriesoldaten, die unter dieser Kuppel sassen, hatten einen Höllenjob», sagt Jost Auf der Maur, der uns begleitet. An einem sonnigen Tag sei es unter der Stahlkuppel im Panzerturm heiss wie in einem Hühnergrill, in einer Winternacht schneidend kalt. Auf der Maur ist Autor des Buchs «Die Schweiz unter Tag. Eine Entdeckungsreise». In zwölf Reportagen erzählt der heute siebzigjährige Reporter, wie tief und verbissen sich dieses Land in seine Berge eingegraben hat, um Tunnel oder lange unterirdische Wasserstollen zu bauen.

Ausgeprägt war das Grabungsfieber auch bei der Armee: 250 Kilometer messen deren unterirdische Anlagen aneinandergereiht, 950 Festungen und Kommandoanlagen, hauptsächlich erbaut während des Zweiten Weltkriegs und des darauffolgenden Kalten Kriegs. «Heute sind noch knapp fünf Prozent der Anlagen intakt und geheim», vermeldet Auf der Maur in seinem Buch. Der grosse Rest: aus dem Dienst entlassen, zugemauert, geschlossen – oder verkauft.

Jost Auf der Maur führt uns die Anhöhe hoch, vorbei an einer Scheune, die sich bei näherer Betrachtung als Tarnkonstrukt für einen pilzförmigen Bunker mit mehreren Schiessscharten entpuppt. Wie der Panzerturm ist auch dieser «Pilz» ein Bestandteil der Festung Furggels, die die Schweizer Armee während des Zweiten Weltkriegs in fieberhafter Eile in den Fels grub: eine Bunkeranlage für über 500 Soldaten – mit 195 Räumen auf etwa 30 000 Quadratmetern, acht Kilometer langen unterirdischen Schächten und Gängen sowie drei Wasserreservoirs mit einem Fassungsvermögen von 1,8 Millionen Litern.

Von der Anhöhe blickt Auf der Maur hinunter ins Tal, auf den «Kessel von Sargans», von wo das Rheintal nach Norden und das Seeztal nach Nordwesten abgeht. «Die Rheinebene ist mehrere Kilometer breit, ideal, um mit feindlichen Truppen, von Vorarlberg kommend, einzufallen», erklärt Auf der Maur. Aus diesem Grund sei rund um das Städtchen eine von insgesamt drei «Landesfestungen» gebaut worden. Saint-Maurice im Rhonetal, der Gotthard und eben Sargans waren die Herzstücke des Réduit, des von General Henri Guisan während des Zweiten Weltkriegs entwickelten Systems militärischer Verteidigungsanlagen. «Die Ebene samt dem Bahnhof Sargans», so Auf der Maur, «konnte durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem innerhalb von drei Tagen unter Wasser gesetzt werden.»

Bis 2002 hielt die Armee die Geheimhaltung der Festung Furggels aufrecht. Verstösse dagegen wurden streng geahndet, zur Zeit des Zweiten Weltkriegs schreckte die Armee nicht einmal vor Todesstrafen zurück, die erst 1992 aus dem Militärstrafrecht gestrichen wurden.

Hermann Grimm, ein arbeitsloser, deutschlandfreundlicher Zahntechniker, war Anfang der vierziger Jahre Teil eines grösseren Spionagerings. Er hatte militärische Stellungen rund um die Festung Magletsch, die wie Furggels zur «Landesfestung Sargans» gehörte, ausgekundschaftet, Skizzen angelegt und diese anschliessend nach Deutschland geliefert. 1942 wurde Grimm verhaftet und schliesslich am 7. Dezember 1944 erschossen, «bei der Gletschermoräne im Eggwald von Bachs» – wegen Verrats militärischer Geheimnisse, so wie sechzehn weitere Männer zwischen 1939 und 1945.

Um Festungen wie Furggels oder Magletsch bezugsbereit zu halten, standen ständig Wächter im Einsatz. «Rund um die Uhr, den halben Weltkrieg und den ganzen langen Kalten Krieg lang. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang», schreibt Jost Auf der Maur in seinem Buch. Selbst die Ehefrauen hätten nicht wissen dürfen, wo genau ihre Männer arbeiteten. «Das erzählt etwas über die bleierne Zeit. Und über die Menschen, die an Magletsch als taugliches Mittel einer Selbstbehauptung unter Waffen glaubten.»

Behandlungsraum des «bunkereigenen Spitals»
Nur für Notfälle: Behandlungsraum des «bunkereigenen Spitals».

Im Milizsystem verankert

Heute darf die Ehefrau von Erich Breitenmoser sogar bei ihm im Bunker wohnen. So jedenfalls berichtete es das «Migros-Magazin» vor zwei Jahren in einer Art Homestory über den heutigen Bunkerbesitzer. Breitenmoser habe in der Wächterwohnung (sechs Zimmer, 110 Quadratmeter) ein Schlafzimmer, eine Küche und einen Lagerraum eingerichtet. Hier wohne die Familie, wenn sie im Bunker renovierten. «Aber es ist auch ein Rückzugsort für den Notfall», verriet Breitenmoser dem «Migros-Magazin». Die Vorratskammer sei gefüllt, das Essen für die Familie reiche für mehrere Monate. Als Prepper würde er sich aber nicht bezeichnen. Ihm gehe es darum, «ein Stück Schweizer Geschichte zu bewahren». Am Ende der Homestory folgt noch ein wenig Produktwerbung für «Bunker-Nahrung aus der Migros». Eine Win-win-Situation.

In den neunziger Jahren, nach dem Ende des Kalten Kriegs, als der Glaube an die militärische Sinnhaftigkeit von Furggels mehr und mehr bröckelte, sah das noch anders aus. Mit der «Armee 95» folgte der Todesstoss. Zur damaligen Reorganisation gehörte auch die Reduktion der Truppenbestände. Der Aufwand – personell und finanziell – zur Bereitstellung der Bunkeranlage stand in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen. 1998 beschloss die Armee, die Festung in St. Margrethenberg stillzulegen.

Zwölf Jahre lang blieb das «Schlachtschiff» sich selbst überlassen. Dann endlich, nach zähem Ringen mit den Behörden, konnte ein gewisser Lothar B. die Festung kaufen. Gerne hätte die WOZ den damaligen Verkaufspreis erfahren, doch die Rüstungsbehörde Armasuisse will keine Details nennen. Sie schreibt aber, dass «im langjährigen Schnitt jährlich zwischen zwanzig bis dreissig Millionen Schweizer Franken von nicht mehr betriebsnotwendigen Immobilien des Verteidigungsdepartements in die allgemeine Bundeskasse flossen».

Lothar B. hatte einst als Küchenchef in der Festung Kastels gedient, die ebenfalls zur grossen militärischen Anlage rund um Sargans gehörte. Nun wolle er «dieses Kulturgut den künftigen Generationen so erhalten, wie es die letzten diensttuenden Wehrmänner 1998 verlassen haben», sagte er nach dem Kauf gegenüber dem «St. Galler Tagblatt». So wollte er etwa in den Felsenkellern Speck und Schinken reifen lassen, plante eine Bibliothek im Postlokal, einen Smoking-Raum für Zigarrenliebhaber sowie den Verkauf militärischer Antiquitäten. Alles mit Unterstützung von ehrenamtlichen Helfer:innen – ein Konzept, das fest im Schweizer Milizsystem verankert ist.

Nur gerade drei Jahre nach dem Kauf verstarb Lothar B. Sein Patenkind Carmen H. setzte den Bunkerbetrieb jedoch ganz im Sinne ihres Göttis fort. Als gelernte Köchin war es ihr ein Anliegen, die Besucher:innen in einer der unterirdischen Kantinen mit Mahlzeiten wie zur Aktivdienstzeit zu bewirten. Doch der Aufwand für Betrieb und Unterhalt einer solch riesigen Bunkeranlage ist beträchtlich. Sechs Jahre hielt Carmen H. durch, dann verkaufte sie Furggels an Erich Breitenmoser.

Grossküche des Bunkers
Die Vorbesitzerin hat hier noch für Gäste gekocht. Die Familie Breitenmoser macht das nicht mehr – zu aufwendig.

«Oh my God!»

Von da an hält ein ganz anderes Geschäftsmodell Einzug. Statt «Rheintaler» oder «Südostschweiz» schreiben plötzlich die grossen überregionalen Medien über die Festung – und vor allem über den Besitzer. «20 Minuten», «Blick» oder die «Schweizer Illustrierte» berichten ausführlich aus «Breitenmosers Bunker», SRF schickt einen hippen Reporter auf einem Motorrad die kurvige Strasse nach St. Margrethenberg hoch, um der «Faszination Bunker» auf den Grund zu gehen. Die Pro7-Wissenssendung «Galileo» berichtet mitten im Coronajahr 2020 vom «grössten Prepper-Bunker der Schweiz» und teasert den fünfzehnminütigen Beitrag wie folgt an: «Sollte es je zu einem weltweiten Lockdown kommen, ist vermutlich niemand besser vorbereitet als diese Familie in der Schweiz. Sie haben sich nämlich einen riesigen Militärbunker gekauft und bauen ihn regelmässig um.» Vor wenigen Monaten schliesslich verewigt der beliebte US-Youtuber Johnny Harris die «Swiss Mountain Fortress» im Video «Why Switzerland Has 374 142 Bunkers (and likely more)». Der rasend schnell geschnittene Clip, in dem Harris praktisch jede Szene mit einem «Oh my God!» eröffnet, hat über fünf Millionen Views und mehr als 11 000 begeisterte Kommentare auf Youtube. Für die WOZ hingegen bleiben die einst streng geheim gehaltenen meterdicken Betontüren vorerst verschlossen.

Doch es gibt einen Weg in «Breitenmosers Bunker». Er führt übers Portemonnaie. Bei wechselhaftem Wetter stehen wir in diesem Frühjahr – als Teil einer dutzendköpfigen privaten Gruppe – erneut vor der Holzbaracke. Diesmal steht die Holztür offen. Doch bereits nach wenigen Metern endet der autobreite Gang im Fels vor einem geschlossenen Rollladen. Plötzlich rattert es, und der Rollladen fährt hoch – Breitenmoser muss uns über eine Überwachungskamera gesehen haben.

Der weitere Gang mündet in einen turnhallengrossen Raum, wo uns der 62-Jährige empfängt und die 500 Franken einkassiert, die eine private Führung in seinem Reich kostet. Breitenmoser trägt Outdoorschuhe sowie eine dünne, schwarze Daunenjacke und ein Baseballcap. Aus guten Gründen, die Temperatur in der Festung liegt bei etwa zehn Grad. An der Wand der grossen Halle, in der, geschützt von der Aussenwelt, der Güterumschlag der Armeelastwagen vorgenommen wurde, liegt ein Kanonenrohr. «Ist die noch funktionstüchtig?», will jemand aus der Gruppe wissen. «Gewiss», antwortet Breitenmoser lächelnd, aber es fehle die passende Munition. «Wenn die einer beschaffen kann, dann her damit!» Das Lächeln weicht einem Grinsen.

das einstige Depot für die Munition der Festungsgeschütze
Das einstige Depot für die Munition der Festungsgeschütze: Hier fand mutmasslich das Schiesstraining der Asgaard-Söldner statt.

Anfragen aus Deutschland

Rasch verlassen wir den grossen Raum und gehen forschen Schrittes einen schmalen, langen Gang bergab in die untere Etage der Bunkeranlage. Das Licht der Neonröhren an der Decke ist hell, teilweise sogar grell. Viele Wände sind schroff, auf den platten Betonböden spiegelt sich das Licht besonders dort, wo sich die Feuchtigkeit festgesetzt hat. Ein bisschen riecht es nach nassen Socken. Im unteren Stock befinden sich die Schlafsäle und die Essensräume samt Küchen, auch der Postschalter ist hier, Mannschaftsduschen und das Spital, «allerdings ohne Krankenschwestern», sagt Breitenmoser und grinst. Was auffällt: Die Armee hat – mit Ausnahme der Munition und der Granaten – sämtliches Material liegen gelassen: Vermessungsgeräte, Handbücher, Funkgeräte, Kopfhörer. Als hätte sie Furggels Knall auf Fall verlassen.

Als einer aus der Gruppe fragt, ob man im Schlafsaal auch übernachten könne, sagt der Widnauer Unternehmer, dass dies von den Behörden nicht erlaubt werde. Aber er vermiete gewisse Räume an Interessierte, vor allem aus Deutschland. «Die haben dort keine Luftschutzräume in den Kellern, wie das bei uns der Fall ist», sagt Breitenmoser. Was denn so ein Raum koste, fragt jemand. Das könne er sich auf keinen Fall leisten, antwortet Breitenmoser, um dann doch zu verraten: «2500 Franken pro Monat». Hier sei alles «atomsicher», selbst ein Angriff durch elektromagnetische Impulse (EMP) würde in der Bunkeranlage keinen Schaden anrichten, «ideal für Datencenter und Serverfarmen».

Wir sind mittlerweile 85 Meter tief im Fels. Stolz zeigt der Bunkerbesitzer auf ein Plakat an der Wand. Es stammt von der ETH Zürich, die hier ein Labor für Gravitationsforschung betreibt. «Hier unten gibts praktisch keine Störungen und Erschütterungen, das ist ein Riesenvorteil für die ETH. Vielleicht reichts bald für den Nobelpreis.» Diese Räume bleiben jedoch verschlossen, Breitenmoser zeigt sie uns nicht, wie die allermeisten der Anlage.

Dann geht es über Dutzende von Treppenstufen hoch in die obere Etage, zu den Kanonen und zur Herzkammer der Festung: dem Maschinenraum, wo drei alte, schwere Dieselschiffsmotoren und ein modernes Notstromaggregat, ein hellgrüner Klotz, stehen. Eine halbe Million Franken habe er investiert, um die Stromerzeugung und -verteilung auf den neusten Stand zu bringen, WLAN inklusive, sagt Breitenmoser. Ein paar Schritte weiter stehen wir plötzlich in einem grösseren, gewölbten Raum, der uns bekannt vorkommt. Auf einer Wand, vor der ein gigantischer Geschützlauf, 15-Zentimeter-Kaliber, abgelegt ist, steht gut sichtbar: «Rauchen verboten». Es ist der Schriftzug, den wir von einem der Fotos kennen, die uns die Bundestagsabgeordnete Martina Renner vom Schiesstraining der deutschen Söldnerfirma Asgaard geschickt hat.

Wahnsinn oder Rettungsanker

Nach eineinhalb Stunden endet die private Führung auf dem bewaldeten Hügel oberhalb des Holzverschlags beim Haupteingang. Nur wenige Meter entfernt ragt ein langes Kanonenrohr aus dem Fels. Es ist Richtung Rheintal gerichtet. Gefährlich wirkt das nicht, eher lustig und aus der Zeit gefallen. Das Tageslicht und die frische Luft tun gut. Die erwartete Beklemmung blieb zwar aus. Die unwirtliche, ja feindselige Atmosphäre dieses in den Fels gesprengten Wahnsinns war aber deutlich zu spüren. Andere wiederum sehen darin einen Rettungsanker, der Schutz bietet – oder ein Geschäftsfeld.

Wir erinnern uns an eine Aussage von Erich Breitenmoser im «Migros-Magazin». Wie viel er für seinen Bunker bezahlt hatte, mochte er nicht verraten. «Nur so viel: Ich hätte mir davon auch ein schönes Ferienhaus in St. Moritz kaufen können.» Geld scheint für Breitenmoser keine Rolle zu spielen. Dabei wuchs er in äusserst bescheidenen Verhältnissen auf. «Die neunköpfige Familie war mausarm, mehrere Kinder mussten sich zusammen ein Schlafzimmer teilen», sagt uns ein Widnauer, der Breitenmoser, «den Luuschaib», seit Kindheitstagen kennt.

Recherchierfonds

Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser:innen.

Förderverein ProWOZ unterstützen