Rote Zora Die Kämpfe der Frauen

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Graffiti am Zürcher Talacker im April 1977
Graffiti am Zürcher Talacker im April 1977.  Foto: Stadtarchiv Zürich, V.E.с.:63.:2.5.

Frauen der Roten Steine organisierten sich schon bald nach deren Gründung unter dem Namen Rote Zora. In einem Flugblatt kritisierten sie die vorherige Dominanz der Männer innerhalb der Gruppe: «Die paar wenigen Mädchen waren meist das Häschen irgendeines Jungen, mit dem sie kamen und gingen.» In einem anderen Flugblatt hiess es: «Wir Frauen werden nicht nur von den Kapitalisten unterdrückt und ausgebeutet, sondern direkt von allen Männern, was auch wieder dem Kapitalismus dient.»

In Basel riefen die Roten Zoras 1973 zu einem Teigwarenboykott auf – als Protest gegen die hohen Preise. In einem anderen Flugblatt propagierten sie später das Klauen. Sie warnten allerdings vor Alleingängen, effektiver und sicherer sei die organisierte Aneignung.

Lilo König, Mitgründerin der Frauenbefreiungsbewegung (FBB), traf sich ein paarmal mit den Zürcher Zoras und war so etwas wie ihre Beraterin: «Sie äusserten das Bedürfnis nach einem eigenen Raum.» So stellte sie einen Antrag im Frauenzentrum der FBB. Ohne Erfolg: «Als sie zum Vorstellungsgespräch in ihren Rockerkleidern und mit ihren Hunden ankamen, wars grad aus. Die Frauen der FBB fanden: Nein, die wollen wir nicht hier.»

Das Ganze hatte ein Nachspiel. Ein weiterer Besuch zusammen mit vier Rote-Steine-«Gaien» (so nannte man in der Szene die Männer) empfanden die FBB-Frauen als Einschüchterung, sie riefen die Polizei. Diese verhaftete die Männer. Zora-Frauen schrieben später an die FBB: «Ihr seid so drin in eurem feministisch-weltfremden Spiessersumpf, dass unser Bedürfnis nach Kommunikation euch nur ‹verständlich› war als potentielle Gewalttätigkeit.» Die FBB-Frauen rechtfertigten die Anzeige damit, dass die Eindringlinge betrunken und aggressiv gewesen seien: «Die Steine sind es nicht wert, dass auch nur eine einzige unserer Frauen den geringsten Kratzer abbekommt.»

In Basel besetzte die Rote Zora im März 1977 mit anderen Frauengruppen die Liegenschaft Hardstrasse 87, die zum Frauenzentrum erklärt wurde. Die Zusammenarbeit mit den anderen war nicht einfach: «Die zwei Nächte, die wir dort verbrachten, waren eher mühsam. Statt Wein wurde mit dem vorhandenen Geld Blumen gekauft: Damit, wenn die Pigs einfahren, sie sehen, wie friedlich und naturliebend wir doch sind.» Die Polizei räumte das Haus nach einer Woche. 24 Besetzerinnen verbarrikadierten sich im Estrich und liessen sich einzeln hinaustragen.

Die Basler Gruppe schrieb in dieser Zeit über sich: «Wie die meisten Gassenfrauen sind wir oft in Winden und Spinnwinden [Heime und psychiatrische Institutionen, Anm. d. Red.] gesteckt worden, weil wir kein bürgerliches Scheissleben führen wollten. Zudem stehen wir heavy auf Gaien, die wir oft noch mit unterhalten müssen. Wir werden geschlagen und ausgeliehen. Viele von uns auf der Gasse sind süchtig und machen den Strich.»

In St. Gallen zogen 1978 Zora-Frauen in eine eigene Kommune in der Schwertgasse. Das brachte ihnen grössere Distanz zu den Männern der Steine, von denen sie sich immer mehr abgrenzten. Derweil kümmerten sie sich um weibliche Gefangene. So tauchten Zoras immer wieder vor dem Frauengefängnis Hindelbank auf und nahmen durch Zurufe Kontakt mit den Inhaftierten auf. Auch warfen sie Zigarettenpackungen durch die Zellenfenster. Die Polizei schrieb von «Blitzaktionen polit-krimineller Frauenzirkel».

Die WOZ konnte mit keinem Mitglied der damaligen Roten Zora sprechen. Viele der Frauen sind gestorben, andere wollten nicht über damals sprechen. Eine zentrale Figur war die Baslerin Sylvie Zeller. Sie wurde 1968 wegen politischer Aktivitäten vom Basler Mädchengymnasium suspendiert, später von der Mutter vor die Tür gestellt, sie arbeitete daraufhin als Verkäuferin. Die Geldscheine ihres ersten Lohns habe sie mit den Worten «Scheisskapitalismus» zerrissen, erzählt ihre Schwester Ines Rivera-Gloor. Später arbeitete sie als Prostituierte und war heroinabhängig. Der ehemalige WOZ-Redaktor Roger Monnerat, der zeitweise mit Zeller zusammenwohnte, beschreibt sie als starke Persönlichkeit: «Sylvie war die Chefin mit einer scharfen Zunge.» In Basel war sie an den meisten Aktionen und Besetzungen beteiligt und wurde immer wieder kontrolliert und verhaftet. «Sie wollte nie vom Staat abhängig werden», erinnert sich ihre Schwester. So habe sie noch gearbeitet, als sie gesundheitlich schon schwer angeschlagen gewesen sei. Im Frühjahr 1982 beging sie Suizid.

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