SVP-Bundesrat: Deathmatch um den Sitz

Am Wochenende war mir nach Kultur. Ich nahm die Fährte auf und landete zu meiner eigenen Überraschung an einem Nichtort zwischen Müllverbrennungsanlage und Flughafen Basel-Mulhouse. Dort, im Spielcasino, wird seit Jahren ein alternativer Kulturbegriff gepflegt, der sich allerdings als ganz nach meinem Geschmack herausstellte. Kultur, die riecht und spritzt; Kultur, der Blut die Schläfe runterläuft.

Angesagt war eine Wrestlingnacht. Drake the Destroyer aus dem Aargau schickte Mike D auf die Bretter, Krampus kriegte kaum Luft in seiner Ork-Maske, und ein Wrestler aus Frankreich spielte Spartakus. Michelle Green aus Flawil zog die meisten Fans an, Anfang Jahr weilte sie noch in Knoxville, Tennessee, um den Durchbruch zu schaffen. Und zu alledem spielte Stoni D als Einmann-Rockband und sagte eine Ringpoetin Sachen wie: «Einem normalen Menschen wird nach einem halben Liter getrunkenem Blut schlecht. Doch IHM erst nach drei Litern!»

Ich kauerte also zufrieden in der Ringecke. Währenddessen ging mir etwas durch den Kopf. Ist diese SVP-Bundesratswahl nicht auch eine Wrestlingshow, der ultimative Deathmatch? Alles orchestriert und abgesprochen, die Rollen als Bösewichte und Sympathieträger klar verteilt. Der Favorit heisst Albert Rösti, Kampfname «Heizöl Hank». Sein Stil ist ein konzilianter, er gibt sich im Ring kompromissbereit. Wobei ihm schwere schwarze, teerartige Pomade aus dem Haar und übers Gesicht läuft, was das Publikum an seinen guten Absichten zweifeln lässt. Sobald der Gegner eingelullt ist, brät er ihm dann von hinten richtig eine über.

So richtig mögen tut ihn niemand. Aber weil Heizöl Hanks Gegner noch deutlich unsympathischer sind, hat man sich irgendwie mit ihm arrangiert. Gegner wie Roger Köppel, der in seiner «Weltwoche» gegen Rösti giftelt. Als Journalist getarnt, schleicht «Notizblockmann» Köppel um den Ring, nur um Heizöl Hank im richtigen Moment die Beine wegzuziehen. Dann lässt er sich unter höhnischem Gelächter vom Publikum ausbuhen.

Ein anderer Kontrahent ist der Zuger Finanzdirektor, Oligarchenschmeichler und frühere Fifa-Jurist Heinz Tännler. Er hat die Kanton Zug AG wieder «in die Gewinnzone geführt», teilt seine Partei mit. Beim Einlauf in die Arena trägt er dicken russischen Pelz, Dollarnoten fallen ihm aus den Taschen. Rote Karte für Heizöl Hank, Tännlers Goldzahn blinkt.

Tännler, Köppel, Albert Rösti - alles wunderbare Charaktere für eine Wrestlingshow, denke ich. Aber irgendwie auch durchgehend miefige Bösewichte. Ein richtiger Publikumsliebling fehlt, ein unbestrittener Good Guy. Einer, der unter tosendem Applaus und in hellem, grünen Licht den Ring betritt. Aber noch ist es dafür ja nicht zu spät.
Präziser beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.