Rüstungsreport 2025: Immer schön locker bleiben

Nr. 38 –

Die Exportregeln würden die Schweizer Rüstungsindustrie in den Ruin treiben, sagt die Branche. Das ist Unfug.

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Die Schweizer Rüstungsindustrie «steht vor dem Untergang», schreibt der Branchenverband Swissmem auf seiner Website. Grund seien die «sehr restriktiven Exportregeln für Rüstungsgüter» und das «Wiederausfuhrverbot» – das Instrument, das verhindern soll, dass Kriegsmaterial aus der neutralen Schweiz an kriegführende Länder geleitet wird. «Keine Sicherheit ohne eigene Rüstungsindustrie», so Swissmem, deshalb brauche es dringend Lockerungen der Exportbestimmungen. Das Wiederausfuhrverbot etwa müsse – nach einer Frist von zwei Jahren – grundsätzlich fallen.

Vor zehn Jahren hat Swissmem schon einmal für Lockerungen geweibelt. Mit Erfolg – und fatalen Folgen: Dutzende Schweizer Werkzeugmaschinen, explizit auch zur militärischen Nutzung verwendbar, landeten zwischen 2016 und 2022 bei russischen Firmen, die heute gänzlich in die Kriegswirtschaft eingebunden sind (vgl. «Das blutige Vermächtnis der FDP»).

Namen, Adressen, Hintergründe

Damals wie heute geht es um wirtschaftliche Interessen: Spätestens seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine Anfang 2022 hat eine globale Aufrüstungsspirale eingesetzt. Viele Länder schrauben ihre Rüstungsausgaben hoch. Davon will auch die hiesige Rüstungsindustrie profitieren.

Hier kommt der WOZ-Rüstungsreport ins Spiel: als Onlinedatenbank, die alle in der Schweiz ansässigen Firmen auflistet, die in den letzten Jahren Exportbewilligungen für Rüstungsgüter erhalten haben. Mit dieser Datenbank enthüllt die WOZ jährlich Namen, Adressen und Hintergründe der rund 150 Firmen, die Waffen, weitere militärische Güter und Überwachungstechnologie exportieren. Das Portal schafft Transparenz über eine verschwiegene Branche. Und legt etwa offen, dass im Bereich des Kriegsmaterials nicht von einer «Schweizer» Rüstungsindustrie die Rede sein kann.

Nach Ruanda, Vietnam, Israel …

Denn das Rückgrat der Schweizer Kriegsmaterialproduktion sind grosse Konzerne in ausländischem Besitz, insbesondere Tochterunternehmen der deutschen Rheinmetall-Gruppe, die an mehreren Standorten Luftabwehrsysteme oder Munition herstellen. Allein 2024 holten die diversen Rheinmetall-Unternehmen Exportbewilligungen für über 1,5 Milliarden Franken ein. Von wegen Untergang. Auch für den US-Konzern General Dynamics, dem der Thurgauer Panzerbauer Mowag gehört, ist die Schweiz ein lukrativer Standort: 2024 holte er Exportbewilligungen für Kriegsmaterial im Umfang von über 500 Millionen Franken herein. Erst dann folgt abgeschlagen der Schweizer Bundesbetrieb Ruag, gefolgt vom Munitionshersteller SwissP Defence, der zum italienischen Rüstungskonzern Beretta gehört.

In den beiden weiteren Rüstungskategorien, den besonderen militärischen Gütern sowie den Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung, ist das Exportvolumen viel geringer als beim Kriegsmaterial. Weil für die beiden Kategorien deutlich weniger restriktive Regelungen gelten, fallen hier dafür die Empfängerländer auf. Etwa bei der Plath AG. Sie liefert immer wieder Überwachungstechnologie in Millionenhöhe ins autoritär regierte Vietnam und erhielt 2024 gar eine Exportbewilligung für Güter im Wert von rund acht Millionen Franken nach Ruanda, das in den Krieg um Ostkongo involviert ist. Eine andere Überwachungsfirma, Decodio aus Zürich, erhielt Exportbewilligungen nach Serbien, Indien oder Pakistan – alles Staaten mit repressiven Regimes. Der Rüstungsreport dokumentiert auch den letztes Jahr bewilligten Export ballistischer Schutzschilde, die auch bei der Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden können, an eine Spezialeinheit der israelischen Gefängnisverwaltung. Diese sperrt seit Jahren Tausende palästinensische Minderjährige, Männer und Frauen widerrechtlich und oft ohne ordentliches Verfahren ein.

www.rüstungsreport.ch