El Salvador: Präsident Bukele will alle Macht für immer
Die Opposition hat er ausgeschaltet, die Verfassung zu seinen Gunsten geändert: Nayib Bukele hat das zentralamerikanische Land in den sechs Jahren seiner Regierung in eine Diktatur verwandelt.

El Salvadors Präsident Nayib Bukele nannte sich einmal den «coolsten Diktator der Welt», und er will das auf Lebenszeit sein. In der vergangenen Woche liess er von seiner absoluten Mehrheit im Parlament eine Verfassungsreform abnicken, die dafür die Voraussetzung schafft. Eigentlich dürfte der 44-Jährige gar nicht mehr Präsident sein, denn bislang war eine Wiederwahl verfassungswidrig. Trotzdem hatte sich Bukele, seit 2019 im höchsten Staatsamt, 2024 noch einmal wählen lassen. Nun ist dieser Makel beseitigt. Die in weniger als zwei Stunden beschlossene Reform ermöglicht die unbegrenzte Wiederwahl. Sie verlängert gleichzeitig die Amtszeit von fünf auf sechs Jahre. Zudem wird in Zukunft auf eine Stichwahl verzichtet, wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang mehr als fünfzig Prozent der Stimmen bekommt. Der Sieger der ersten Runde wird Präsident, egal mit wie vielen Stimmen. Mit diesem Trick hat sich auch Daniel Ortega in Nicaragua die Macht gesichert. Er würde kaum eine Stichwahl gewinnen, hat aber ein grosses sicheres Wähler:innenpotenzial.
«Ein demokratischer Staat wurde in eine Autokratie verwandelt», kommentierte Roxana Cardona von der Bewegung für soziale Gerechtigkeit die Verfassungsreform. Sie ist eine der Letzten, die sich in El Salvador noch traut, den Präsidenten öffentlich zu kritisieren. Nach einer Umfrage haben sechzig Prozent der Salvadorianer:innen Angst, ihre Meinung zu sagen. «Wir leben nun in einer Diktatur», sagt Cardona, und das sei erwartbar gewesen.
Erst links, dann ultrarechts
Bukele, Sohn einer steinreichen Familie, besass eine Werbeagentur und war einer der Ersten im Land, die die sozialen Medien zu nutzen verstanden. Er machte Wahlkampfwerbung für die linke FMLN und wurde für sie Bürgermeister, zunächst in der Kleinstadt Nuevo Cuscatlán und dann in der Hauptstadt San Salvador. Bei der Wahl von 2019 wollte er Präsidentschaftskandidat der linken Partei werden. Die aber wollte den Aussenseiter nicht haben. Bukele, dem es stets nur um die eigene Macht ging, wechselte zur ultrarechten Gana-Partei.
Er gewann die Wahl als Vertreter einer Generation, die nichts mehr mit dem Bürgerkrieg (1980–1992) zu tun hatte. Zuvor hatten die Kontrahenten dieses Krieges, die rechtsradikale Arena-Partei und die aus der Guerilla hervorgegangene FMLN, die Politik des Landes drei Jahrzehnte lang dominiert. Beide Parteien waren wegen einer schier endlosen Reihe von Korruptionsskandalen für die Mehrheit unwählbar geworden.
Bereits ein Jahr nach seiner Amtseinführung zeigte Bukele seinen Hang zur Autokratie: Als das Parlament ihm 2020 einen Kredit verweigerte, zog er mit einer Hundertschaft schwer bewaffneter Soldaten ins Parlamentsgebäude, um die Abgeordneten zur Zustimmung zu zwingen. Als dann seine Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) die Parlamentswahl von 2021 haushoch gewann, liess er mit dieser Mehrheit verfassungswidrig das Oberste Gericht austauschen. Seither sitzen dort seine Leute.
Zunächst ging Bukele gegen seine frühere Partei FMLN vor. Fast die gesamte Führungsriege kam wegen Korruption vor Gericht; zum Teil zu Recht, zum Teil aufgrund erfundener Verdachtsmomente. Die Verfahren hatten den Charakter von Schauprozessen. Wer nicht rechtzeitig ins Exil floh, kam ins Gefängnis. Die Arena-Partei zerfleischte sich nach drei Wahlniederlagen selbst.
2022 kündigte der Präsident ein Abkommen mit den sogenannten Maras auf, jenen Jugendbanden, die in El Salvador flächendeckend Schutzgeld erpressten und für eine der weltweit höchsten Mordquoten verantwortlich waren. Während der Covid-Pandemie hatte Bukele sie als Schlägertrupps benutzt, um seine strikte Ausgangssperre durchzusetzen. Danach brauchte er sie nicht mehr. Er liess führende Mitglieder der Banden verhaften, und die rächten sich mit mehr als sechzig Morden an einem einzigen Wochenende. Bukele verhängte den Ausnahmezustand. Er gilt bis heute. Seither sind mehr als 86 000 Menschen, fast eineinhalb Prozent der Bevölkerung, ins Gefängnis geworfen worden, in der Regel ohne Beweise und ohne Anklage. Es genügt der vage Verdacht, etwas mit den Maras zu tun zu haben.
2023 eröffnete Bukele ein neues Supergefängnis, in dem bis zu 200 Gefangene in eine Zelle gepfercht werden. Laut Menschenrechtsorganisationen gibt es dort systematische Folter, Hunderte von Gefangenen kamen bereits ums Leben – als Folge der Folter oder weil ihnen ärztliche Hilfe verweigert wurde. Stellungnahmen der Regierung dazu gibt es nicht. 2024 folgte Bukeles verfassungswidrige Wiederwahl. Eine Mehrheit der knapp über fünfzig Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Stimme abgaben, stimmte für ihn. Als Grund nannten viele, dass die Zahl der Morde mit den Massenverhaftungen erheblich gesunken sei.
WOZ-Mitarbeiterin im Exil
Seit Donald Trump zum zweiten Mal im US-amerikanischen Präsidentenamt ist, hat Bukele die Repression noch einmal verschärft. Er machte sich gut Freund mit dem Mann im Weissen Haus, weil er im März aus den USA deportierte Venezolaner:innen in seinen Superknast steckte. Im Mai liess er nach dem Vorbild von Putins Russland ein Gesetz über «ausländische Agenten» verabschieden, demnach Nichtregierungsorganisationen, die internationale Unterstützung erhalten, überwacht werden können. Überweisungen, die sie aus dem Ausland erhalten, werden mit einer Steuer von dreissig Prozent belegt. Im selben Monat liess Bukele die beiden prominenten Regierungskritiker:innen Ruth López und Enrique Anaya verhaften. López war die Leiterin der Antikorruptionsabteilung der Menschenrechtsorganisation Cristosal und hatte etliche Skandale aus dem direkten Umfeld des Präsidenten enthüllt, Anaya ist ein angesehener Verfassungsrechtler. Er hatte Bukele in einem Fernsehinterview einen «Diktator» und «Despoten» genannt.
Im Juli schloss Cristosal das Büro in San Salvador, die Mitarbeiter:innen und ihre Familien gingen nach Guatemala und Honduras ins Exil. «Die Justiz wird als Waffe gegen uns verwendet», begründete der Vorsitzende Noah Bullock den Schritt. «Niemand in El Salvador hat auch nur den geringsten Zweifel daran, dass die Regierung verhaften kann, wen immer sie will, und dass sie die Verhafteten für immer in Gefängnissen verschwinden lassen kann.» Allein im Juli flohen mehr als hundert Menschen ins Exil, vor allem Menschenrechtler, Umweltschützerinnen und Journalist:innen. Zu ihnen gehört auch die WOZ-Mitarbeiterin Cecibel Romero. Man weiss von schwarzen Listen, ein paar Namen sickerten durch.
Umweltschützer:innen gerieten ins Visier von Bukele, weil dieser das Verbot aufgehoben hat, neue Bergwerke im dicht besiedelten und unter Wassermangel leidenden Land zu eröffnen. Dagegen gab es friedliche Proteste. Unabhängige Journalist:innen mag der Präsident nicht, weil die immer wieder Korruptionsskandale seiner Regierung veröffentlicht haben. Als Erstes traf es die investigative Internetzeitung «El Faro» (Der Leuchtturm). International wurde sie mit Preisen überhäuft, unter Bukele aber wird sie schon lange verfolgt. Sie wurde regelmässig von der Finanzpolizei heimgesucht, die ihr irgendein Vergehen anhängen wollte. Der Sitz der Zeitung wurde deshalb schon 2023 nach Costa Rica verlegt. Inzwischen sind sämtliche Redaktionsmitglieder im Exil.
Bukeles Pressestelle beantwortet keine Anfragen unabhängiger Medien. Er hat sein eigenes Imperium aus Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen aufgebaut und überschwemmt die sozialen Medien. Er dominiert – oft mit Fake News – den Nachrichtenmarkt in El Salvador. Auch das trägt dazu bei, seine Macht für lange Zeit zu sichern. Eine nennenswerte politische Opposition gibt es in El Salvador nicht mehr. Sie sitzt im Gefängnis oder ist im Exil.