Profiteure aus Stans: Pilatus im Drohnenkrieg

Nr. 46 –

Die USA setzen im Drohnenkrieg auch auf ein Schweizer Produkt: das einmotorige Flugzeug PC-12 der Firma Pilatus aus Stans. Das belegen geheime militärische Dokumente, die die Website «The Intercept» Mitte Oktober veröffentlichte (siehe WOZ Nr. 44/2015 ). Aus diesen «Drone Papers» geht hervor, dass im Juni 2012 sechs U-28-Spionageflugzeuge in Ostafrika und auf der Arabischen Halbinsel im Einsatz waren. U-28 nennt die Luftwaffe der USA ihre 28 PC-12-Flugzeuge.

Das Sonderkommando JSOC, eine Elitetruppe für verdeckte Operationen, die für den bis heute laufenden geheimen Drohnenkrieg gegen mutmassliche TerroristInnen in Somalia und im Jemen verantwortlich ist, setzte die sechs PC-12 ein, weil in der weitflächigen Region nicht genügend Drohnen zur Überwachung von Zielpersonen verfügbar waren. Bisher hat der Drohnenkrieg in den beiden Ländern über 500 bestätigte Todesopfer gefordert, darunter mindestens 65 ZivilistInnen, wie das britische Bureau of Investigative Journalism schreibt. Die Dunkelziffer liegt weit höher.

Bereits im Juni 2012 hatte die «Washington Post» den grossflächigen Einsatz von PC-12 bei geheimen Überwachungsoperationen des US-Militärs in weiteren afrikanischen Ländern, etwa in Mali oder Mauretanien, enthüllt. Das Schweizer Überwachungsflugzeug eigne sich aus mehreren Gründen für solche Operationen: «Sie sind billiger in der Bewirtschaftung als Drohnen und erregen weit weniger Aufmerksamkeit, da viele ähnliche Flugzeugtypen in Afrika in Gebrauch sind», heisst es im Artikel. Das Pentagon setze seit 2005 bewusst auf PC-12-Flugzeuge in Territorien, wo das US-Militär seine Präsenz geheim halten wolle, entsprechend tragen die Flugzeuge oft keine militärischen Erkennungszeichen.

Obschon PC-12-Flugzeuge nachweislich im «Kampf gegen den Terror» zum Einsatz kommen, gilt das Überwachungsflugzeug in der Schweiz nicht als Kriegsmaterial, sein Export untersteht folglich nicht dem Kriegsmaterialgesetz. Mehr noch: Nicht einmal das weniger strenge Güterkontrollgesetz (GKG) kommt beim PC-12-Export zur Anwendung. Jürgen Boehler, Leiter Exportkontrollen beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), sagt gegenüber der WOZ: «Die aus der Schweiz exportierten PC-12 sind zivil konzipiert und nach unseren Abklärungen nicht für militärische Zwecke bereits abgeändert.» Auf den Einsatz im US-Drohnenkrieg angesprochen, ergänzt Boehler: «Wir haben das Unternehmen mehrfach auf die von Ihnen geschilderten Punkte angesprochen und Stellungnahmen verlangt. Die Resultate dieser Abklärungen führten zum Ergebnis, dass die aus der Schweiz in dieser Form ausgeführten PC-12 nicht der Exportkontrollgesetzgebung unterliegen.»

Die juristisch entscheidende Frage ist also, ob die aus der Schweiz exportierten PC-12 tatsächlich nur zivil konzipiert sind. Eine Anfrage bei der U. S. Air Force blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet. Pilatus selbst verweigert jegliche Kommunikation und verweist lediglich auf die Website. Dort ist die Produktbroschüre «PC-12 NG Spectre» aufgeschaltet, in der Pilatus das gleichnamige Modell offensiv für militärische Überwachungszwecke anpreist und «modifizierte Lösungen für besondere Missionsansprüche des Kunden» anbietet. Das Standardmodell kostet 650 000 US-Dollar, ein Paket zur Nachrichtengewinnung und Aufklärung ist optional verfügbar, wie sich der Broschüre entnehmen lässt.

Ebenfalls unmissverständlich ist ein im Netz auffindbares Pilatus-Werbeschreiben aus dem Jahr 2009 mit dem Titel «Ein neuer Spectre jagt die bösen Jungs». Gemäss den öffentlichen Geschäftsberichten ist Stans der einzige Produktionsstandort von Pilatus (1725 MitarbeiterInnen), während die Tochterfirmen in den USA (70 MitarbeiterInnen) und in Australien vor allem den Verkauf abwickeln. Im Geschäftsbericht 2013 steht überdies: «Erfolgreich verläuft in den USA auch das Geschäft mit dem PC-12 Spectre, eine speziell zu Überwachungszwecken ausgerüstete PC-12-Version.»

Ein Schweizer Flugzeug kommt im Drohnenkrieg zum Einsatz, und die Politik schaut weg. Übrigens: Letztes Jahr lockerte das Parlament die Regeln für den Waffenexport – aus wirtschaftlichen Gründen.