Durch den Monat mit Antonio Loprieno (Teil 1): Wen interessiert Ägyptologie?

Nr. 18 –

Professor Roger Blum vom Medienwissenschaftlichen Institut der Universität Bern hat eine Diskussion über die Verteilung der Mittel für die einzelnen Studienfächer angerissen. Sie sind Vorsteher des Ägyptologischen Seminars der Universität Basel. Fühlen Sie sich als Vertreter einer «Exotenwissenschaft» unter Rechtfertigungsdruck?
Antonio Loprieno: Wer wie ich in der Schweiz in verschiedenen universitären Gremien tätig ist, fühlt sich davon sicher angesprochen. Allerdings fühle ich mich als Ägyptologe nicht so stark gefährdet, wie man vielleicht annehmen könnte.

Warum nicht?
Weil solche Fächer zu klein sind, um mit Profit beseitigt zu werden. Jede Universität betreibt aus historischen Gründen einige dieser Orchideenfächer. Sie sind relativ geschützt, weil sie zur Profilierung einer Universität beitragen.

Womit profiliert sich denn die Ägyptologie in Basel?
Wenn ich meine Vorlesung halte, kommen etwa neunzig Hörer. Von diesen sind vielleicht dreissig bis vierzig Studierende. Die anderen sind interessierte Laien, Mitglieder des Bildungsbürgertums, Leute aus der Stadt, die einfach wissen, dass hier ein Potenzial an Wissen vorhanden ist. Das trifft für die Ägyptologie besonders zu, weil das alte Ägypten eine starke Faszination ausübt.

Also eine Art von erweitertem Veranstaltungs- oder Unterhaltungsangebot?
Ja, so kann man es sehen. Neben der 
akademischen Ausbildung bieten diese Fächer auch eine Form des gesellschaftlichen Diskurses.

Warum haben Sie Ägyptologie studiert?
Ich bin ein untypischer Fall. Ich kam 
zur Ägyptologie wegen meines grossen Interesses für altorientalische Sprachen. Weitaus häufiger findet man aber zu 
diesem Fach, weil man die altägyptischen Objekte schön findet.

Welche Perspektiven bestehen nach Abschluss eines Studiums?
Inzwischen ist Ägyptologie schon fast ein Boomfach. Gegenüber der Zeit, als ich angefangen habe, hat sich einiges verändert. Damals studierte man das Fach nur, wenn man wirklich Ägyptologe werden wollte. Heute studieren viele Ägyptologie als Bildungsfach, so wie sie etwa Kunstgeschichte oder Germanistik studieren. Sie wollen einfach eine umfassende kulturwissenschaftliche Ausbildung erhalten.

Man neigt heute zu Spezialisierungen. Die Ägyptologie umfasst Sprache, Kulturwissenschaft, Kunstwissenschaft, Linguistik, Archäologie, also insgesamt ein sehr weites Feld. Wie viel davon kann man ernsthaft studieren?
Ich würde trennen zwischen Lehre und Forschung. Ein ägyptologischer Lehrstuhl, der wie Basel für ein bestimmtes Gebiet – hier die Deutschschweiz – das Monopol hat, muss eine breite Lehre in allen Bereichen anbieten können. In der Forschung kann man zwei bis drei Felder anvisieren. Ich persönlich betreibe zum Beispiel Studien zu Sprache, Religion und Literatur, beschäftige mich aber kaum mit Archäologie oder Kunstgeschichte.

Ägyptologie befasst sich mit einer Periode von rund 3000 Jahren, die schon 2000 Jahre zurückliegt. Arbeiten Sie immer mit dem gleichen beschränkten Material oder kommt ständig neues Material dazu?
Das ist eine hochinteressante Frage und nicht leicht zu beantworten. Zum einen gibt es noch viel Material in den Museen, das auf eine wissenschaftliche Bearbeitung wartet. Viele Papyri sind noch unveröffentlicht. Für die ältere Zeit der ägyptischen Geschichte gehe ich davon aus, dass die Geschichte nicht mehr grundsätzlich neu geschrieben werden muss. Anders stellt sich die Frage für die letzten Jahrhunderte vor Christus. Da dürfte noch einiges auftauchen, was zu einer Verbesserung unserer Kenntnisse beiträgt.

Gehen Sie davon aus, dass noch nicht alle Orte erschlossen sind oder dass mit der Zeit einfach mehr geschrieben wurde?
Beides. Aufgrund der besonderen Verhältnisse sind wir bestens informiert über zwei Gegenden. Einerseits die Region von Memphis, die in der Nähe des heutigen Kairo liegt, der Hauptstadt des alten Reiches, und andererseits das Gebiet um Theben, das heutige Luxor und Karnak, mit dem berühmten Tal der Könige. Doch die Kultur im ersten Jahrtausend spielte sich vor allem im Delta ab. Aufgrund der besonderen, feuchten Lage sind die Überlieferungen in diesem Gebiet viel spärlicher. Zusätzlich stellt man fest, dass die Zahl der Dokumente tatsächlich mit der Zeit wuchs, was auf eine zusätzliche Alphabetisierung zurückzuführen ist.

Antonio Loprieno, 49 Jahre alt, ist Professor für Ägyptologie und Vorsteher des Ägyptologischen Seminars der Universität Basel.