Durch den Monat mit Antonio Loprieno (Teil 3): Wie wird die Uni umgebaut?
Der verstorbene Papst Johannes Paul II. wurde einbalsamiert, was ja ein
altägyptisches Verfahren ist. Haben Sie sich auch schon mit dieser Methode befasst?
Antonio Loprieno: Jeder Ägyptologe muss sich irgendwann damit beschäftigen. Aber als Forscher habe ich sie nie untersucht.
Worin besteht denn der Unterschied zwischen der klassischen Mumifizierung im alten Ägypten und dem Verfahren, das nun bei Johannes Paul II. angewandt wurde?
In technischer Hinsicht gibt es wenig Unterschiede. Es gibt hingegen einen grossen Unterschied im ideologischen Bereich. Die Mumifizierung hatte im alten Ägypten die Funktion, die Körperlichkeit des Menschen zu bewahren, weil ohne körperliche Weiterexistenz kein Fortleben der Seele denkbar war. Hingegen entspricht die moderne Mumifizierung, wie sie von der katholischen Kirche angewendet wird, eher einem Bedürfnis der pastoralen Betreuung der Gläubigen.
Sie sind nicht nur Ägyptologe, sondern auch Wissensmanager und leiten die Planungskommission der Universität Basel. Was macht diese Kommission?
Die Planungskommission ist ein Beratungsgremium des Rektorats. Wir sind sozusagen das erste Echo auf seine Vorschläge.
Bei Planungsprozessen geht es meistens um die Zuteilung von Ressourcen. Das ist doch eine ständige Quelle von Konflikten?
In der aktuellen Umbruchsituation – die Unis entwickeln sich von Stätten des Wissens auch zu Stätten des Wissensmanagements – versucht man natürlich, den Prozess über eine flexible Mittelzuteilung zu beeinflussen. Heute sind die Universitäten nicht mehr einfach bereit, Gelder entsprechend der historischen Entwicklung zuzuweisen. Stattdessen suchen sie nach objektiven Kriterien.
Heisst flexible Mittelzuteilung zum Beispiel, dass Lehrstühle nicht mehr auf unbeschränkte Frist eingerichtet werden?
Genau das. Mittel werden aufgrund von objektiven Kriterien zugewiesen – die Zahl der Studierenden und die Bedeutung der Forschung beispielsweise. Sie können sich vorstellen, dass hier auch politische und ideologische Konflikte stattfinden, denn über die Bedeutung von Forschung lässt sich gut streiten.
Worüber streiten Sie an der Universität Basel denn am häufigsten?
An der Uni Basel haben wir nicht so heftige Konflikte, weil wir einen Portfoliobericht haben. Darin hat der Universitätsrat zuhanden der Kantone Basel-Stadt und Baselland das Programm für die Entwicklung der Universität skizziert. Das gab natürlich unterschiedliche Reaktionen, aber das klärte auch die Situation. Es herrscht eine gewisse Ruhe, weil alle wissen, woran sie sind.
Nun geht es auch darum, das alte humanistische Bildungsideal mit seinen grossen Freiheiten in Lehre und Forschung in eine strengere Form umzubauen – die Bologna-Reform. Präzise Lehrgänge sollen die Studierenden schnell zum Diplom bringen. Ist dies für die Ägyptologie eine wünschenswerte Entwicklung?
Die Bologna-Reform führt sicher zu einer Verschulung des Studiums. Fächer, die sehr direkt auf einen Beruf vorbereiten wie Wirtschaft oder Chemie lassen sich ohne grössere Mühe an die Bologna-Reform anpassen. Die Geisteswissenschaften widersetzen sich bis zu einem gewissen Grad einer Reglementierung. Das gilt auch für die Ägyptologie.
Wo haben denn die Verteilungskonflikte an der Universität Basel stattgefunden?
Die Universität Basel hat traditionell zwei Schwerpunkte: Der eine ist «Life Sciences» und der andere ist «Kultur» – Basel als Stadt des Humanismus. Life Sciences haben für die Universität weiterhin eine grosse Bedeutung, beim Schwerpunkt Kultur ist eine gewisse Verschiebung festzustellen. Anstelle der traditionellen Kulturwissenschaften rücken eher Gesellschaftswissenschaften wie Psychologie und Soziologie in den Vordergrund.
Man hört, dass Sie als kommender Rektor der Universität gehandelt werden.
Ich bin einer der Kandidaten, aber ich habe keine weiteren Informationen über den Stand des Verfahrens.
Rektor sein bedeutet Organisieren, Organisieren und nochmals Organisieren. Bleibt da noch Zeit für die üblichen wissenschaftlichen Tätigkeiten: Unterrichten, Texte entziffern, Forschung betreiben?
Für einen echten Wissenschaftler bedeutet der Entscheid zugunsten des Engagements in der akademischen Selbstverwaltung immer einen gewissen Verzicht. Man verzichtet auf das, wofür man eigentlich berufen worden ist.
Antonio Loprieno, 49, ist Professor für Ägyptologie und Vorsteher des Ägyptologischen Seminars der Universität Basel.