Durch den Monat mit Irène Schweizer (Teil 4): War Südafrika wichtig?

Nr. 17 –

Irène Schweizer: «Ich habe meinen Teil zur Politik beigetragen, jetzt sollen die Jungen ran.»

WOZ: Wie geht es Ihrem Arm, den Sie im Winter gebrochen haben?
Irène Schweizer: Gut. Letzte Woche spielte ich an zwei Abenden mit dem Saxofonisten Jürg Wickihalder in Liestal. Das waren die ersten abendfüllenden Konzerte seit dem Unfall. Der Arm tat nicht weh, er surrte nur ein bisschen. Darüber bin ich extrem froh. Es waren schöne Konzerte, beide ausverkauft. Ich mag Konzerte in kleineren Räumen, das ist viel persönlicher.

Sie haben aber auch schon im Luzerner KKL gespielt ...
Ja, aber dazu wurde ich ja fast genötigt!

Kürzlich sind Sie mit der Biologin Florianne Koechlin aufgetreten und haben ihre Texte über die Kommunikation der Pflanzen musikalisch begleitet.
Das war Floriannes Idee, sie fand, meine Musik passe zu ihren Texten.

Wie haben Sie sich vorbereitet?
Sie gab mir die Themen, den Ablauf, sagte mir, wo ich länger oder kürzer spielen soll. An einer Stelle haben wir auch ein Pingpong gemacht, schnell zwischen Musik und Text hin und her. Ich liess mich vom Thema, den Wurzeln, Pilzen und Insekten, anregen. Stilistisch reichte das von freier Improvisation bis zu einem Stück von Thelonious Monk.

Haben Sie Ihre Musik schon früher mit Literatur oder anderen Sparten kombiniert?
Ich bin schon mit Laure Wyss aufgetreten und mit der Schauspielerin Nikola Weisse. Ich bin da aber sehr wählerisch, ich kann das nur mit Leuten machen, zu denen ich einen Zugang habe. Die Texte müssen mich interessieren, und auch persönlich müssen wir uns verstehen.

Spielen Sie eigentlich noch Schlagzeug?
Das ist sozusagen mein Hobby. Ich habe nie Stunden genommen. Es war auch ein Instrument, das damals im Saal der Beiz meiner Eltern herumstand und mit dem ich früh zu experimentieren begann. Vor zwanzig Jahren habe ich viel Schlagzeug gespielt, mit Urs Voerkel, mit Co Streiff, hatte auch ein Trio mit Gabriela Friedli und Jan Schlegel. In letzter Zeit habe ich das Schlagzeug etwas vernachlässigt. Aber es hat sicher mein Klavierspiel beeinflusst, das auch sehr rhythmisch ist.

Was den Rhythmus betrifft – war die südafrikanische Musik dafür wichtig?
Auf jeden Fall. Anfang der sechziger Jahre waren viele südafrikanische Musiker in Zürich im Exil. Die Band Blue Notes war an ein Festival in Frankreich eingeladen worden und nutzte diese Gelegenheit, Südafrika zu verlassen. Der Pianist Dollar Brand spielte regelmässig im Zürcher Club «Africana», und er brachte auch die anderen dorthin. Der Pianist der Blue Notes, Chris McGregor, war weiss, die anderen schwarz. In Südafrika hätten sie gar nicht zusammen spielen dürfen.

Welchen Stil hatten sie?
Sie spielten Jazz, aber stark afrikanisch beeinflusst. Unglaublich schöne Musik, hymnische Lieder. Eine überschäumende Energie. Das waren schwierige Typen, sie tranken und kifften viel, aber ich hatte sie gern. Da entstand ein reger Austausch. Ich begann bald mit dem Schlagzeuger Louis Moholo im Duett zu spielen, eine Zusammenarbeit, die mehrere Jahrzehnte dauerte.

Sind Sie auch an politischen Veranstaltungen aufgetreten?
Ja, wir haben an einem Anlass der Anti-Apartheid-Bewegung gespielt. Und am Jazzfestival Zürich 1986 wollte ein Aktivist vor unserem Konzert eine kurze Rede zur Situation in Südafrika halten. Die Veranstalter verboten es ihm. Wir nahmen ihn dann einfach mit auf die Bühne, damit er doch etwas sagen konnte. Das warf hohe Wellen.

Gingen diese Musiker zurück, als die Apartheid zu Ende war?
Nein, die meisten gingen nach England. Inzwischen sind sie abgesehen von Louis alle tot. Sie sind früh gestorben. Unfälle, Krankheiten, zum Teil weiss ich es nicht genau.

Sind Sie heute noch ausserhalb der Musik politisch engagiert?
Nein. Mitte der achtziger Jahre, als ich die Nebenjobs aufgeben konnte und nur noch Musik machte, habe ich mich etwas zurückgezogen. Ich habe weiterhin Konzerte organisiert, war von 1984 bis 1994 Mitglied der Fabrikjazz-Gruppe, die auch das Taktlos-Festival organisiert, aber in der Frauenbewegung war ich nicht mehr so aktiv.

Gab es Krach?
Nein. Ich fand einfach, ich habe meinen Teil dazu beigetragen, jetzt sollen die Jungen ran.

Mir fällt auf, dass Ihre Musik nie wirklich düster ist. Es ist sehr viel Freude darin.
Ja. Es macht mir ja Freude zu spielen, und das überträgt sich – hoffe ich.

Irène Schweizer (66) ist Jazzpianistin. Das Südafrika-Konzert mit Louis Moholo ist auf CD dokumentiert: «Schweizer/Moholo Piano/Drums Duos», Intakt CD 006.