Die Krise in der Kantine (Teil 2): Ohne Dächlikappen, ohne Fahnen
Die «Basler Zeitung» hat letzte Woche den Abbau von 22,5 Vollzeitstellen bekannt gegeben. Damit wird die Gesamtredaktion um ein Fünftel reduziert.
Im Gebäude der «Basler Zeitung» beim Aeschenplatz gibt es ein Starbucks-Kafi, aber keine Kantine. Die Angestellten der BaZ haben dafür in der Credit-Suisse-Kantine «Culinarium» Gastrecht. Marc Krebs (34) ist Kulturredaktor - und als Sprecher der Redaktionskommission in Sozialplanverhandlungen mit der Geschäftsleitung.
«Ich arbeite seit neun Jahren bei der BaZ. Zuerst als Reporter, seit fünf Jahren fest angestellt als Popredaktor. 2003 gab es schon einmal Entlassungen, die wirtschaftliche Lage entspannte sich aber wieder. Nach einem Relaunch hat sich die BaZ zu einer guten Regionalzeitung mit eigenem Rechercheteam entwickelt, die Basellandredaktion wurde ausgebaut. Das tägliche Kulturmagazin wurde zum beliebten Supplement, der Aborückgang konnte gebremst werden.
Letzte Woche wurde uns vom Verwaltungsrat mitgeteilt, dass 22,5 Vollzeitstellen abgebaut werden. Das entspricht einem Kahlschlag, rund einem Fünftel der Gesamtredaktion. Die Entlassungen sind in der momentanen Wirtschaftskrise besonders schlimm. Es ist sehr schwer, einen anderen Job in unserer Branche zu finden: Die Situation der Tageszeitungen in Bern kennt man, in Zürich ist sie auch nicht viel besser, selbst die NZZ baut ab. Als Journalist gibt es daher wenig Möglichkeiten: Entweder man wechselt die Branche, wird etwa Pressesprecher oder PR-Berater. Oder man polt sich um, versucht ein sicheres Plätzchen bei der sicheren SRG zu finden. Letzte Möglichkeit wäre der Schritt in die Selbstständigkeit. Doch das Überleben als freischaffender Journalist ist sehr hart, die Honorare sind völlig am Boden.
Wir wissen jetzt, wen es bei der BaZ trifft. Die Entlassungen gehen durchs ganze Spektrum: elf Frühpensionierungen und acht Kündigungen. Einem älteren Kollegen wurde nach 23 Jahren gekündigt. Einige haben erfahren, dass ihre Stellen beibehalten und intern neu besetzt werden. Ein paar Stellen werden nicht mehr neu besetzt.
Im Vorfeld, als noch nicht klar war, ob ich auch entlassen werde, war ich fatalistisch eingestellt. Eine Entlassung wäre für mich der Moment gewesen, etwas Neues zu machen. Ich habe zwar ein Kind, aber kein Haus im Grünen, bin also flexibel. Und sähe für mich andere Möglichkeiten. So schreibe ich in diesem Jahr erstmals ein Buch, eine Aufarbeitung der Basler Popgeschichte.
Doch zurück zur BaZ: Uns wurde ein Sozialplan vorgelegt, den die Mitarbeiterversammlung, also alle 91 Anwesenden, abgelehnt haben. Insbesondere die Konditionen bei Kündigungen sind - gerade für ältere Kolleginnen und Kollegen - nicht akzeptabel. Wir wollen eine längere Lohnfortzahlung erreichen. Und einen definierten Betrag für Härtefälle. Die Solidarität in der Redaktion ist enorm. Journalisten gehen nicht mit Dächlikappen und Fahnen demonstrieren, doch auf die Unterstützung der Gewerkschaften möchten wir nicht verzichten.
Wir haben keinen Einblick in die Geschäftszahlen bekommen. Wir wissen nicht, ob die BaZ derzeit schwarze oder rote Zahlen schreibt, wir sehen einzig, dass sie weniger Anzeigen hat. Letzten Mittwoch konnten wir zwei Entlassungen verhindern, indem mehrere Mitarbeiter auf Pensen verzichtet haben. Das war ein erster Schritt von uns, jetzt erwarten wir von der Chefetage einen besseren Sozialplan. Da die BaZ an der Gratiszeitung «News» und an der Internetplattform «Newsnetz» mitbeteiligt ist, lautet eine unserer Forderungen, dass entlassene Personen nach Möglichkeit in diesen Medien beschäftigt werden. Vielleicht ist das Internet für Journalisten ja gar zukunftsträchtiger.
Die Hoffnung bleibt, dass die Verlage nicht alles herunterfahren. Dass sich die klassischen Tageszeitungen nicht weiter den Gratiszeitungen annähern. Dass die Leser bereit sind, Geld zu zahlen für eine gute Zeitung, für den Unterschied zwischen recherchierten Texten und Agenturmeldungen. Dass Leser mitunter Fans von gewissen Autoren sind. Denke ich. Und hoffe ich.»
Serie Kantinengespräche
Die Zeitungen sind voll mit abstrakten Analysen der Finanzkrise und ihres Niederschlags in der sogenannten Realwirtschaft. Im neuen Jahr wählt die WOZ den Blick von unten und besucht Kantinen, Pausenräume und Beizen in und bei Fabriken und Betrieben. In loser Folge wollen wir mit den Angestellten sprechen: Wie verändert sich ihr Arbeitsalltag? Wo spüren sie die Krise persönlich?