«Into Eternity»: Wie schickt man eine Warnung in die Zukunft?

Nr. 21 –

Der dänische Dokumentarfilmer Michael Madsen geht der Frage nach, wie die Menschen in Tausenden von Jahren noch ein Endlager erkennen. Er drehte einen schönen, aber auch beschönigenden Film.


Um es vorwegzunehmen: «Into Eternity» ist zuweilen grossartig, führt aber auch in die Irre. Der dänische Dokumentarfilmer Michael Madsen hat im finnischen Eurajoki gedreht, wo weltweit das erste Endlager für hoch radioaktiven Abfall gebaut wird, das den Namen Onkalo trägt. «Madsen erkundet dieses Bauwerk für die Ewigkeit und die Fragen, die sich daraus ergeben», steht im Promotext. Doch das ist falsch – von Onkalo erfährt man praktisch nichts. Und das Wenige, was man über den Bau erfährt, stammt aus der PR-Abteilung der Endlagerbauer.

Michael Madsen nutzt den Bau des Endlagers, um einige grundsätzliche Fragen aufzuwerfen, die zwar viel mit Endlagerung, aber wenig mit Onkalo zu tun haben. Fragen wie: Was wird in den Tausenden von Jahren geschehen, in denen der Müll sicher verwahrt werden muss? Kann man die Menschen, die dann noch leben werden, davor warnen? Wie schickt man eine Botschaft in die Zukunft?

Vergessen oder erinnern?

Madsen spricht mit diversen SpezialistInnen. Beharrlich stellt er ihnen die philosophischen Fragen – die Technik bleibt völlig ausgeklammert. Der Bau selbst steht überhaupt nicht mehr zur Debatte. Obwohl weltweit noch kein anderes Endlager gebaut wurde, weil die EndlagersucherInnen letztlich an der technischen Machbarkeit scheiterten. Die Geologie hielt nie, was sie versprach, womit es plötzlich unmöglich wurde, den strahlenden Müll sicher im Untergrund zu versorgen.

Schaut man Madsens Film an, dann gibt es diese Schwierigkeiten nicht mehr – es geht nur noch um die Philosophie. Die befragten WissenschaftlerInnen beantworten Madsens Fragen mit grosser Ernsthaftigkeit. Die einen glauben, das Endlager könne etwa im Jahr 2120 verschlossen und danach ganz sich selbst überlassen werden. Sie glauben, dass auf die Geologie mehr Verlass ist als auf die Menschheit.

Andere meinen, man müsste die Nachkommen informieren, mit Archiven oder Steinstelen, die auch in Tausenden von Jahren noch verständlich vermitteln, da sei etwas Gefährliches vergraben. Vergessen oder ewig erinnern – es sind zwei Schulen, die sich wohl kaum je werden einigen können.

Weil auch niemand weiss, ob das, was da in 500 Metern Tiefe für ewig ruhen soll, in einigen Dekaden grossen Wert gewinnt. Da wird viel Kupfer, viel Plutonium und anderes, vielleicht verwertbares Material eingelagert, das spätere Generationen womöglich für kostbar halten. Wie kann man verhindern, dass es in falsche Hände gerät? Manchmal sieht man den Onkalo-Leuten die Verunsicherung förmlich an, wenn sie über diese Fragen nachdenken – und in diesen Momenten ist der Film grossartig.

Madsen inszeniert seine Suche nach dem Umgang mit der Unendlichkeit in ruhigen, zarten weiss-grau-blauen Bildern, wie aus einem Sciencefictionfilm. Manchmal taucht Madsen selber auf, im schwarzen Tunnel, ein brennendes Streichholz in der Hand, und beschwört, wie wir, die ZuschauerInnen gerade dabei sind, uns an den gefährlichen Ort zu begeben und uns der tödlichen Fracht nähern. Ein dramaturgischer Kniff, der übertrieben wirkt.

Was aber viel übler ist und sich Madsen vermutlich gar nicht überlegt hat: Er hat einen Propagandafilm für Onkalo produziert. Das einzige Problem, das dieses Endlager noch hat, ist der unberechenbare Mensch. Alles andere kommt nicht vor – und das grenzt an Desinformation. Im letzten Bild sieht man beispielsweise Männer in einem düsteren Stollen. Sie stehen knöcheltief im Schlick. Auch an anderen Stellen im Film rinnen Bäche in die Tunnels. In diesem Endlager gibt es Wasser, viel Wasser – und das ist das Übelste, was einem Endlager passieren kann.

Der Bau von Onkalo war ein rein politischer Entscheid. Das Endlager wird gleich vor den Toren von Olkiluoto errichtet. Dort sind sie seit einigen Jahren daran, den ersten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) hochzuziehen. Jenen AKW-Typ, der vermutlich auch in der Schweiz gebaut worden wäre, wäre nicht der Super-GAU in Fukushima dazwischengekommen.

Unfreiwillige PR

Um mit dem Bau beginnen zu können, musste man in Finnland das Endlagerproblem «gelöst» haben. Also hat man gleich nebenan das Endlager projektiert, weil diese Gegend seit Jahren ökonomisch von der Atomwirtschaft abhängig ist und kaum mit Widerstand zu rechnen war. Die FinnInnen haben ihr Endlagerkonzept den SchwedInnen abgeschaut, die seit Jahren mit riesigem Aufwand in demselben Gestein, aber auf der andern Seite des Meeres Endlagerforschung betreiben. In Schweden gibt man sich nicht halb so überzeugt vom geplanten Endlager wie in Finnland – weil die Grundidee nicht funktioniert: Eigentlich sollte der Fels den radioaktiven Müll sicher vor der Umwelt abschirmen, weil nun aber so viel Wasser im Fels ist, geht das nicht. Jetzt braucht es diverse künstliche Barrieren, damit die radioaktiven Substanzen nicht innerhalb kürzester Zeit an die Oberfläche gespült werden.

All das kommt in Madsens Film nicht einmal in einem Nebensatz vor. Und da wird der Film unfreiwillig zum PR-Machwerk – Wichtiges verschweigen ist fast gelogen.

Into Eternity. Regie: Michael Madsen. Dänemark 2010