Finanzplatz Schweiz: Eine echte Globallösung

Nr. 6 –

Die Geschichte des Schweizer Finanzplatzes ist eine der winzigen Schlupflöcher, der kleinen Geheimnisse und grossen Betrügereien. Das Bankgeheimnis ermöglichte in der Vergangenheit, dass Reiche, Despoten und Kriminelle Geld in der Schweiz verstecken konnten. Das Decken von SteuerhinterzieherInnen hat die Banken über Jahrzehnte gross werden lassen. Die derzeitige Kriegsrhetorik – zwischen Durchhalteparolen und Auflösungsängsten – ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen: die Abgeltungssteuer als letzte Verteidigungslinie, um das Steuerhinterziehungsgeschäft wenigstens noch bruchstückhaft und für einen limitierten Zeitraum zu retten. Die «Weissgeldstrategie» als bislang rein deklamatorische Hinhaltetaktik.

Der Ruf nach einer Weissgeldstrategie bedeutet zunächst einmal das Eingeständnis der offiziellen Schweiz, dass man bisher auf Schwarzgeld gesetzt hat. Das ist ein Fortschritt. Zudem: Ein Finanzplatz, der auf Weissgeld setzt, ist möglich und volkswirtschaftlich tragbar. Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbunds, hat ausgerechnet, dass bei einer Weissgeldstrategie infolge der Geldabflüsse zwischen 5000 und 10 000  Arbeitsplätze verloren gingen. Eine überschaubare Grösse, die sich sozial abfangen liesse.

Aber was beinhaltet eine Weissgeldstrategie? Vor allem aber: Auf wen ist sie ausgerichtet?

Die Augen sind auf die USA gerichtet: Aber im Steuerstreit mit den USA geht es nicht um eine «Globallösung», sondern um eine für die Banken. Wahrhaft global wäre eine Lösung des Steuerproblems für alle Länder – vor allem für jene des Südens, die bislang von den neuen Doppelbesteuerungsabkommen weitgehend ausgeschlossen sind.

Rechtsbürgerliche Kreise üben sich in Finanzplatzpatriotismus, fordern einen Schulterschluss und beharren auf einer Abgeltungssteuer. Die SP gefällt sich in ihrer Machtposition und fordert eine Deklarationspflicht für BankkundInnen – es handelt sich dabei vor allem um einen fraktionstaktisch motivierten Alleingang. Der Bundesrat will bis Ende Februar Varianten einer Weissgeldstrategie präsentieren, doch die Umsetzung dürfte dauern. Die Schweiz debattiert über ein sinnvolles Vorgehen, dabei sind die Grundlagen dafür gar nicht bekannt: Rund 2000 Milliarden Franken ausländische Vermögen liegen in der Schweiz – je nach Schätzung vierzig bis sechzig Prozent davon unversteuert. Woher sie stammen, wohin sie sich verschieben, bleibt der Öffentlichkeit vorenthalten. Es sind unabdingbare Informationen für eine fundierte Analyse.

Die Diskussionen über kleine Zugeständnisse ans Ausland erübrigen sich ohnehin. Die EU kennt bereits einen Informationsaustausch, in den USA wird er Ende 2012 für Banken eingeführt. Über kurz oder lang wird der automatische Informationsaustausch mit der EU und den USA auch für die Schweiz eine politische Realität werden.

Linke Politik hiesse, eine gerechte Lösung zu finden: dass der Informationsaustausch also für alle Länder gälte – nicht nur für die USA und die EU als mächtige Gegenspieler –, aber mit Einschränkungen, etwa gegenüber Unrechtsstaaten. Entscheidend ist nicht, ob die Schweiz einen Ausweg über erleichterte Amtshilfe, eine Abgeltungssteuer oder einen automatischen Informationsaustausch findet. Entscheidend ist, dass die Lösung für alle Länder gilt. Die Steuerflucht ist ein globales Problem. Die VerliererInnen sind vor allem die Länder des Südens. Natürlich gilt es, die Auskunftspflicht auszubauen und die Amtshilfe zu erleichtern, um reiche SteuerhinterzieherInnen zu büssen. Aber in einer globalisierten Welt bekämpft man damit nur einen kleinen Teil des eigentlichen Problems: Privaten Vermögen nachzuschnüffeln, ist wesentlich einfacher, als juristisch komplizierten Firmenstrukturen auf die Schliche zu kommen. Internationale Grosskonzerne wie Glencore – die Zuger Rohstofffirma fusionierte diese Woche mit Xstrata (vgl. Das Rohstoffmonster aus dem Kanton Zug ) – sind sozusagen Nullsteuerkonzerne, die ihre Gewinne in den Ländern des Südens erwirtschaften, aber mit Finanztricks und Holdingstrukturen in der Schweiz zu einem Tiefstsatz versteuern. Den armen Ländern wird legitimes Steuersubstrat in Milliardenhöhe entzogen.