Europäische Arbeitslosigkeit: Verödete Landschaften der Kahlschlagpolitik

Nr. 17 –

In einigen Ländern der Eurozone hat nicht einmal jedeR zweite Jugendliche eine Arbeitsstelle. Die Zeitbombe tickt. Was tun?

Sechs von zehn in Griechenland und Spanien. Fünf von zehn in Portugal und Italien. So viele Jugendliche sind arbeitslos in den EU-Ländern, die von der Krise am stärksten betroffen sind. Hinter solchen nüchternen Zahlen verstecken sich individuelle und soziale Tragödien (siehe WOZ Nr. 33/12 ). Insgesamt sind in der EU 5,7 Millionen Jugendliche arbeitslos. Eine ganze Generation verliert ihre Zukunftsperspektiven.

Auch die generellen Arbeitslosenzahlen sind im gesamten EU-Raum dramatisch hoch. Im Februar 2013 lagen sie im Durchschnitt bei 10,9 Prozent. Das sind 4,1 Prozent mehr als vor Beginn der Finanzmarktkrise im Februar 2008. Gegenwärtig sind 26 Millionen Menschen ohne Lohnarbeit – 10 Millionen mehr als vor fünf Jahren. In der Eurozone liegt die Arbeitslosigkeit sogar bei rekordhohen 12 Prozent.

Unterbeschäftigung

Zudem verbreitet sich die Langzeitarbeitslosigkeit: In neunzehn Ländern der EU machen Personen, die seit einem Jahr und länger keine Arbeitsstelle mehr besetzten, mittlerweile 40 und mehr Prozent aller Arbeitslosen aus. Verschärft wird die Situation dadurch, dass unfreiwillige Teilzeitarbeit und prekäre Arbeitsformen auf Kosten sicherer Beschäftigungen weiterhin deutlich zugenommen haben. Zur Arbeitslosigkeit kommt also die Unterbeschäftigung. Es gibt immer mehr Teilzeitarbeitende, die mehr arbeiten möchten und arbeiten könnten: Im EU-Durchschnitt waren es im Jahr 2012 21,4 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten, ein Anstieg von 3 Prozentpunkten seit 2008.

Von der desaströsen Situation auf dem Arbeitsmarkt sind schlecht Ausgebildete und Jugendliche besonders stark betroffen. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit in der EU beträgt 23,5 Prozent – gar 58,4 Prozent sind es in Griechenland und 55,7 Prozent in Spanien. Dramatisch ist der Anstieg im letzten Jahr auch in Zypern und Slowenien verlaufen. Es gibt einige wenige Lichtblicke, beispielsweise in den baltischen Staaten, wo die Jugendarbeitslosigkeit von hohem Niveau auf den EU-Durchschnitt gefallen ist.

Die International Labour Organization (ILO) hat Anfang April vier moderate Massnahmen vorgeschlagen. Erstens solle das Bankensystem weiter reformiert werden, damit Banken vermehrt kleinere und mittelgrosse Unternehmungen unterstützen, die Arbeitsplätze im jeweiligen Inland schaffen. Zweitens brauche es eine Abkehr von der strikten Austeritätspolitik und mehr staatliche Massnahmen zur Stellenschaffung.

Als Sofortmassnahmen werden Programme gefordert, die Jugendlichen den Einstieg in einen Job erleichtern sollen. Präventive Massnahmen, die den Abbruch von Weiterbildungen reduzieren würden, seien weitaus kostengünstiger als eine spätere Arbeitslosenunterstützung. Zudem wird ein verstärkter Dialog zwischen den betroffenen UnternehmensvertreterInnen und Gewerkschaften vorgeschlagen.

Eine der angemahnten Massnahmen hat die EU im Februar beschlossen: eine sogenannte Jobgarantie für Jugendliche. Von einer Garantie für eine Arbeitsstelle kann allerdings keine Rede sein. Garantiert wird bloss, dass innerhalb von vier Monaten ein Jobangebot erfolgt. Der Beschluss der EU-ArbeitsministerInnen wird aber bei der Umsetzung auf etliche Probleme stossen. Zusätzliche Gelder zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wären nämlich nur auf Kosten anderer Unterstützungsmassnahmen vorhanden.

Soziale Unruhe

Die desolate Situation gefährdet den sozialen Zusammenhalt. Die ILO betont, dass die Wahrscheinlichkeit sozialer Unruhen deutlich zugenommen habe. Der mithilfe verschiedener Kriterien ermittelte Risikofaktor zeigte 2012 einen Anstieg von 10 Prozent gegenüber 2008.

Jenseits sozialer Proteste entstehen auch mehr Selbsthilfeprojekte (die WOZ hat in den letzten Wochen einige Beispiele aus Ungarn auf der letzten Seite im Bild präsentiert). Diese lokale Perspektive muss allerdings mit einer globalen ergänzt werden. Arbeitsplatzsicherung und -schaffung in Europa wird jederzeit durch die globale Arbeitsteilung beeinflusst. Gleichzeitig wirft die zunehmende Care-Ökonomie die Frage nach dem Verhältnis von Lohnarbeit und unbezahlter Arbeit grundsätzlich neu auf. Die gesellschaftlich notwendige Arbeit geht uns nicht aus.