Wichtig zu wissen: Die Bundesfavela

Nr. 26 –

Eine besorgte Frau in grünem Leder.

Elisabeth Schoch, Vorstandsmitglied der Stadtzürcher FDP und nicht verwandt mit den Chaoten von der Binz, wie sie stets betonte, war in grosser Sorge. Da war nun geplant, dass dieser Hafenkran ein Containerschiff voller Asylanten mitten in den Kreis 5 hieven und den natürlichen Prozess der Gentrifizierung empfindsam stören würde. «Man kann doch ein solches Containerdorf nicht mitten in dieses Trendquartier bauen», hatte sie unlängst dem netten «Blick»-Journalisten zu erklären versucht.

Das war nicht ausländerfeindlich gemeint, im Gegenteil. «Für die Asylbewerber ist es doch nur noch schwerer, wenn sie sehen, wie gut es uns hier geht, und dann zurückmüssen», erklärte sie weiter. Überdies: Was für einen Schrecken müsste die Saharabewohnerin ob der phallischen Imposanz eines Prime Tower davontragen. Welch grossen Anfall von Neid und Missgunst müsste der Buschmann erleiden, wenn er all die mit Tüten aus Lastwagenplanen behängten, Selfmade-Unternehmerinnen in grasgrünen Lederjacken in freier Wildbahn sähe. Nein, das konnte man diesen armen Leuten nun wirklich nicht antun. Zweifelsohne würde auch das Quartier unter den Containern leiden, zumal die Bewohner dieser urbanen Welt seit der Installation der trendigen Urban-Gardening-Wohlfühloase Frau Gerolds Garten sämtliche Berührungsängste gegenüber Containern verloren hatten, was zu akuter Verwechslungsgefahr und üblen Zusammenstössen führen könnte.

Man stelle sich vor, die hippe, naturverbundene Architektin würde sich im Weg irren, und plötzlich stünde sie nicht in ihrem urbanen Gartenparadies, sondern in dieser vom Bund eigens errichteten Favela, einen Tomatensetzling in der Hand und im Glauben, sie befinde sich in der Kunstinstallation, die unlängst noch an der Art Basel zu sehen war. Nein, die Asylanten mussten definitiv woanders hin, wo es besser für sie wäre. Aufs Land, am besten in die Berge, wo sie sich besser zurechtfänden, erinnert an das harte, entbehrungsreiche Leben in ihrer Heimat.

Doch die Zeit war knapp, es mussten Taten folgen. So machte sich Elisabeth Schoch im Dienst der Allgemeinheit auf die Suche nach einem besser geeigneten Standort für eine solche Unterkunft. Im Morgengrauen erreichte sie den Gipfel des Piz Julier und blickte hinab auf die noch im Dunkeln liegenden Weiten des Oberengadins. Ein Schnaufen liess sie jäh herumfahren. Sie war nicht allein. Gut drei Meter entfernt stand der Anlagekommentator Konrad Hummler, der mit einem Fernglas nach neuen Möglichkeiten zur Diversifikation von Vermögen Ausschau hielt, von denen er den Lesern seiner neuen Publikation «Bergsicht» würde erzählen können. Mit einem «Äh, Entschuldigung, ich bin von der FDP Zürich» näherte sich Elisabeth Schoch zögerlich, worauf sich der frühere NZZ-Verwaltungsratspräsident fluchtartig abseilte. Dies schien wirklich ein geeigneter Ort zu sein, um den für die Ausländer schädlichen Kontakt mit der zivilisierten Welt äusserst gering zu halten. Und selbst mit einem guten Fernglas sah die Welt im Tal nicht viel anders aus als ein ziemlich grosses Elendsviertel.

Susi Stühlinger betreibt aktiv Littering, seit 
sie von einem APG-Plakat weiss, dass Littering ein godzillahaftes Monster auf den Plan ruft, das den Prime Tower in Stücke reisst.