Buchhandel: Das neuste Buch, nur noch am Bahnhof

Nr. 32 –

Die Konzentration im Schweizer Buchhandel geht weiter. Die fusionierten Ketten von Orell Füssli und Thalia werden nächstens 25 Prozent des Branchenumsatzes erwirtschaften.

Im Oktober wird es eine neue Buchhandelsgruppe in der Schweiz geben: Orell Füssli Thalia (OFT). Ein altes Problem wird dadurch nicht kleiner, im Gegenteil: Der Sortimentsbuchhandel gerät noch stärker unter Druck.

Die beiden Marktführer in der Schweiz, Orell Füssli und Thalia, haben schon im März einen Zusammenschluss vereinbart, sich aber erst jetzt auf die Modalitäten und den neuen Namen geeinigt. 245 Millionen Franken Umsatz werden sie gemeinsam erwirtschaften, rund ein Viertel der ganzen Branche. Michel Kunz, Chef von Orell Füssli, hat in der «Schweiz am Sonntag» erklärt, die neue Firma müsse eine Rendite anstreben, die «klar über dem Branchendurchschnitt» von zehn Prozent liege – seinerseits eine schon grosszügig berechnete Marge.

Orell Füssli als treibende Kraft

Beim Zusammenschluss scheint die Orell Füssli Holding die führende Rolle gespielt zu haben. Bei der Schweizer Firma ist das Buchhandelsgeschäft neben dem Verlag und dem Sicherheits-/Banknotendruck eines von drei Standbeinen. Die Thalia-Kette in der Schweiz erzielt dagegen nur zehn Prozent des Gesamtumsatzes der deutschen Mutterholding, die ihrerseits zum Einzelhandelskonzern Douglas Holding gehört. Für Thalia bedeutet der Zusammenschluss also eine Bereinigung der Schweizer Geschäfte. In absehbarer Zukunft soll der Name Thalia in der Schweiz denn auch verschwinden, die neue Firma will dann wieder zum altehrwürdigen Namen Orell Füssli zurückkehren. Die Buchhandlung Stauffacher in Bern, die jetzt Thalia gehört, soll aber ihren Namen behalten.

Die neue Firma wird in der Schweiz 36 Filialen unterhalten, 14 von Orell Füssli und 22 von Thalia. Gemeinsam beschäftigt sie gut tausend MitarbeiterInnen. Laut Kunz soll das Filialnetz mittelfristig «umgestaltet» werden. Der neuste «Megatrend» gehe in Richtung kleinere Filialen, hat er im Branchenorgan «Schweizer Buchhandel» erläutert. Vorbilder sind die Thalia-Filiale im Berner Bahnhof und Orell Füssli am Flughafen Zürich-Kloten mit schnellem Umsatz sowie Konzentration auf Bestseller und leichte Reisekost. Die «Umgestaltung» in kleinere, stromlinienförmig gemachte Filialen dürfte laut BranchenkennerInnen mittelfristig zu Entlassungen führen. Umgekehrt sieht Kunz in Luzern und Zug noch «weisse Flecken». Dagegen sei eine Expansion ins Ausland kein Thema.

Schnellere «Synergieeffekte» wird es geben, wenn die beiden Onlineabteilungen zusammengelegt werden. Orell Füssli arbeitet gegenwärtig mit books.ch, während Thalia buch.ch betreibt. Nach ersten Branchenschätzungen dürften hier vierzig bis fünfzig Arbeitsplätze verloren gehen. Das Onlinegeschäft macht nach einer Berechnung des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands (SBVV) mittlerweile rund 22 Prozent des schweizerischen Branchenumsatzes aus, wobei Amazon einen Marktanteil von einem Fünftel erzielt.

Abhängig von Dan Brown

Seit 2007 hat der Schweizer Buchhandel gut zwölf Prozent an Umsatz eingebüsst, er erwirtschaftet jährlich noch etwa 950 Millionen Franken. Im letzten Jahr konnte der Rückgang beinahe stabilisiert werden, und im ersten Halbjahr 2013 hat es sogar einen erfreulichen Anstieg gegeben. Wie prekär und marktanfällig die Lage ist, zeigt sich aber daran, dass der Anstieg zu einem beträchtlichen Teil auf «Inferno», den jüngsten Bestseller des US-amerikanischen Thrillerautors Dan Brown, zurückzuführen ist.

Ausbauen will Orell Füssli Thalia das E-Book-Geschäft. In zwei bis drei Jahren soll es einen Anteil von fünfzehn Prozent am Umsatz ausmachen. Das ist ambitiös: Allen Unkenrufen oder Schalmeienklängen zum Trotz werden gegenwärtig immer noch nur zwei bis drei Prozent des Branchenumsatzes mit E-Books erwirtschaftet.

Buch und Ristretto von Valora

Nicht ganz so spektakulär expandiert eine andere Kette: Press & Books (P&B), die den Zeitungsverkauf mit einem kleinen Büchersortiment verbindet, hat zwei neue Geschäfte in den Tourismusregionen St. Moritz und Gstaad eröffnet. Die Kette, die der «kleinflächigen Einzelhandelskette» Valora gehört, verfügt damit über 27 Verkaufsstellen. Im achtzehnstündigen Bahnhofsbetrieb lässt sich das Leben mittlerweile ganz mit Valora abdecken: von der Zeitung und den Zigaretten am K-Kiosk über die UHT-Milch bei Avec, den Ristretto im Spettacolo und dem Schinkenlaugensandwich beim Brezelkönig bis hin zum neusten Dan Brown von P&B.

Anfang 2012 ist die Valora mit dem Kauf des grössten Bahnhofbuchhändlers Schmelzer-Bettenhausen übrigens auch in Österreich ins Buchgeschäft eingestiegen.