Medientagebuch: Veit Dengler antwortet

Nr. 34 –

Zum Zustand des NZZ-Konzerns (5)

WOZ: Herr Dengler, an der letzten NZZ-Generalversammlung halbierten die Aktionäre die eigene Dividende. Warum?
Veit Dengler: Wir wollen auch in zwanzig Jahren noch Qualitätsjournalismus machen. Dazu müssen wir unser Geschäftsmodell erheblich weiterentwickeln. Der Markt für Sonntags- und Wochenzeitungen wächst, aber das Tageszeitungsgeschäft ist seit Jahren stark rückläufig.

Wir müssen einerseits neue Kundengruppen für unsere Produkte gewinnen und weitere Einnahmequellen erschliessen, andererseits unser Unternehmen effizient und kostenbewusst führen. Dieser Strategie folgen unsere Aktionäre. Sie sind bereit, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.

Trotzdem wollen Sie bei den Lokalmedien sparen …
Was wir brauchen, ist guter Lokaljournalismus. Die lokale Verankerung ist auch in Zukunft unersetzbar. Insofern stehen wir voll hinter unseren Regionalmedien.

Dennoch gibt es momentan Doppelspurigkeiten sowohl in den Managementprozessen als auch in den Redaktionen. Was unsere Leser nicht brauchen, sind zwei verschiedene Artikel über den neuen CEO von Microsoft in unseren Zeitungen «St. Galler Tagblatt» und «Neue Luzerner Zeitung». Bei allen Themen, bei denen es nicht entscheidend ist, dass sie lokal vor Ort erledigt werden, gibt es Optimierungspotenzial.

Wenn das Lokale unverzichtbar ist, warum sparen Sie dann ausgerechnet dort?
Ich nehme an, Sie reden von der «Thurgauer Zeitung». Nachdem wir die Zeitung übernommen hatten, stellte sich die Frage: Ist die bisherige Grösse effizient? Nein, das war sie nicht. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass aus den verbliebenen 34 Stellen nicht 10 werden.

Im Mutterhaus macht man das Gegenteil: Man baut aus. Warum?
Unser Kerngeschäft ist die Publizistik. Mit der Publizistik wollen wir Geld verdienen und nicht etwa mit Marktplätzen. Unsere Aktionäre haben sich auf der letzten Generalversammlung erneut mit grosser Mehrheit für die publizistische Unabhängigkeit ausgesprochen. Damit diese Unabhängigkeit bestehen bleibt, müssen wir sowohl in neue digitale Produkte als auch in die bestehenden Produkte investieren.

Wir haben heute rund 20 000 Abonnenten der digitalen NZZ, diese Zahl wächst stetig. Der digitale Markt funktioniert aber anders: Die Musikindustrie zum Beispiel wurde durch die Digitalisierung halbiert. Jetzt wächst sie wieder, mit neuen Produkten.

Vielleicht müssen wir in Zukunft vermehrt hoch qualifizierte Spartenprodukte anbieten, teure Branchennewsletter etwa, die für bestimmte Zielgruppen von hoher Relevanz sind.

Um beim Bild der Musikindustrie zu bleiben: Kann man in Zukunft auch einzelne Songs kaufen statt das ganze Album?
Nein. Das ganz sicher nicht. Aber online können wir das klassische Zeitungsbündel aufschnüren. Wir können zum Beispiel das Feuilleton der NZZ isoliert den Menschen anbieten, die nicht die ganze Zeitung lesen wollen oder sie sich nicht leisten können.

Veit Dengler ist CEO des NZZ-Konzerns. Daniel Ryser ist WOZ-Redaktor.