Durch den Monat mit Jugendlichen (Teil 3): «Hast du schon eine konkrete Aufgabe in der Partei?»
S.W. (15) ist seit einem halben Jahr bei den Jungen Grünen in Luzern aktiv. Am Anfang möchte sie in der Partei vor allem lernen. Bis sie achtzehn ist, wird sie sich wohl noch einige Male aufregen, weil sie bei Abstimmungen nicht mitbestimmen kann.
WOZ: S., was hast du in deinen ersten Sitzungen mit den Jungen Grünen schon erlebt?
S.W.: Wir haben in letzter Zeit sehr intensiv über die Ecopop-Initiative diskutiert. Ich habe dann bemerkt, dass man bei uns in der Sektion darüber sehr geteilter Meinung ist. Persönlich würde ich Nein stimmen, wenn ich könnte. Nach dem 9. Februar braucht es keine fremdenfeindliche Initiative mehr, die noch extremer ist. Leider sind die Diskussionen bei so polarisierenden Themen meistens die spannendsten.
Zudem war ich das erste Mal demonstrieren. Da war jemand dabei, der recht betrunken war. Er hat mich gefragt, um was es hier eigentlich gehe. Ich habe ihn dann aufgeklärt.
Über was diskutiert ihr sonst? Der Abstimmungssonntag ist ja nicht mehr weit weg.
Momentan sind wir voll im Wahlkampf. Im März sind Kantonsratswahlen, und die Jungen Grünen Kanton Luzern arbeiten jetzt an einer Strategie. Das finde ich recht cool und interessant, ich bin ja das erste Mal so nahe dabei. Wir haben einen Sitz im Kantonsrat, den wollen wir behalten. Das wird nicht einfach. Wir konzentrieren uns vor allem auf die Agglomerationsgemeinden wie Emmenbrücke, die eher noch städtisch wählen.
Hattest du zu Hause auch schon Diskussionen wegen deines politischen Engagements?
Ich bin in Malters aufgewachsen. Dort gibt es viele konservative Tendenzen. Manchmal habe ich Mühe damit, ich merke, wie ich jetzt schon anecke. Mit meinen Eltern habe ich kein Problem, sie sind eher links orientiert. Wir haben aber einmal probiert, mit einer befreundeten Familie über politische Themen zu sprechen. Das ging schief, es wurde persönlich, man fühlte sich verletzt.
Hast du schon eine konkrete Aufgabe in der Partei?
Bis jetzt noch nicht, aber ich finde es okay so. Wenn die Leute diskutieren, dann kann ich viel lernen. Das ist für mich am Anfang am wichtigsten. Wegen des neuen Luzerner Stipendiengesetzes war im Frühling jemand zur Information bei der Partei. Das hat mir sehr geholfen, das Thema einzuordnen.
Denkst du, wenn du so weit bist, dich für eine Partei zu entscheiden, wärst du auch so weit, an die Urne zu gehen?
Ja, wahrscheinlich. Es regt mich jeweils schon auf, dass ich nicht kann. Wenn das Resultat nicht so rauskommt, wie ich es mir wünsche, denke ich mir, vielleicht hätte ich einen Unterschied bewirkt.
In meiner Klasse ist niemand ausser mir in einer Partei, aber viele interessieren sich für politische Themen. Die Meinungen sind meistens sehr fundiert, und wir lernen auch miteinander zu diskutieren. Ich denke, das würde sich noch mehr entwickeln, wenn das Stimmrechtsalter sechzehn eingeführt würde.
Was hältst du von anderen Jungparteien?
Grundsätzlich finde ich es immer lobenswert, wenn Jugendliche sich politisch engagieren. Es ist besser, eine eigene Meinung zu haben, auch wenn ich sie nicht immer teile, als einfach gar keine Meinung zu haben und sich nicht zu interessieren. Aber mit den Ansätzen der Jungen SVP kann ich meistens nicht so viel anfangen, da ich ihre Argumente nicht nachvollziehen kann und ihre Vorgehensweise auch nicht sonderlich gut finde.
Bist du ausser bei den Grünen sonst noch in einer Gruppierung aktiv?
Ich bin seit neun Jahren in der Pfadi. Momentan mache ich dort den Leiterinnenkurs, und das ist sehr intensiv. In all den Jahren habe ich sehr viel Zeit in der Natur verbracht. Auf einem Pfadiausflug habe ich einmal bemerkt, wie gross die Vorurteile gegen die Jugend oder gegen Kinder sein können. Da lief jemand an uns vorbei und sagte laut: «Iii… Hier stinkts nach Jugend!»
In der Pfadi sehe ich vielfach Parallelen zum Engagement bei den Jungen Grünen, gerade was die Umwelt anbelangt. Wir sind oft draussen, wir informieren uns und arbeiten an der konkreten Umsetzung. Da geht es um die Praxis: Wie spart man Wasser in einem Lager, oder wie Strom? Das Thema erneuerbare Energien finde ich am drängendsten, jedenfalls auf politischer Ebene. Wo sind die Alternativen, und wie bauen wir sie auf?
Wo möchtest du dich politisch bilden?
Ich möchte nach dem Gymi sicher länger durch Skandinavien reisen. Die Bildungspolitik dort interessiert mich sehr. Meine Tante wohnt in Finnland, und sie erzählt oft, welche anderen Modelle sie dort haben. Zum Beispiel: Wenn man in Finnland ein Kind ist und ein Elternteil spricht eine andere Sprache, dann hat man automatisch das Recht, diese Sprache zu lernen, und kann gratis einen Kurs besuchen. Das wären Zukunftsmodelle auch für die Schweiz. Viele Kinder hier können vielleicht die Elternsprache sprechen, aber diese nicht schreiben.
Ist die Arbeit im Bildungsbereich eine mögliche Zukunft für dich?
Ja, kann sein. Wenn ich politisch weiterhin aktiv bin, möchte ich mich aber eben auch auf die Themen erneuerbare Energien und Verkehrspolitik konzentrieren.
S.W. besucht das erste Kurzzeitgymnasium in Luzern. In ihrer Freizeit spielt sie Theater und liest viel. Nach der Matura möchte sie reisen und dann zuerst einmal arbeiten. Sie kann sich vorstellen, ein Praktikum im Gesundheitsbereich zu machen.
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Anmerkung der Redaktion vom 24. Februar 2016:
S.W. hat die WOZ gebeten, das Interview – das ursprünglich unter ihrem vollen Namen erschienen ist – nachträglich zu anonymisieren, weil sie sich in der nächsten Zeit bewerben müsse und sie nicht sicher sei, wie «der Arbeitgeber zu meinen im Interview gemachten Angaben stehen würde». Die WOZ ist diesem Wunsch nachgekommen.