Fussball und andere Randsportarten: Besser als Sex
Etrit Hasler freut sich auf Dart und blöde Konversation
Dezember ist nicht nur die Jahreszeit, in der sich ganz normale MitbürgerInnen wie eine Horde Orks in die Innenstädte werfen, um sich freiwillig dem grösstmöglichen anzunehmenden Dichtestress auszusetzen – auch bekannt als GAD oder einfach Weihnachtsgeschenke kaufen –, nein, Dezember ist auch die Zeit, in der zumindest hierzulande die Fussballmeisterschaft endlich einmal ein paar Wochen ruhen darf. Für uns SportkolumnistInnen bedeutet dies kein Werweissen mehr darüber, wer Meister wird, keine Nachrichten über Korruption und Sepp Blatter – kurzum: Was den richtigen JournalistInnen das Sommerloch, ist uns dann eben das Winterloch.
Für mich als Spezialisten für Randsportarten ist es natürlich die beste aller Zeiten: Endlich darf man in einer Bar den Fernseher für Eishockey kapern, ohne dass sofort jemand rummault, irgendwo laufe doch sicher noch Bundesliga oder die Zusammenfassung der Höhepunkte des Tages – als ob der Fussball häufiger als einmal im Jahr einen Höhepunkt generierte. Gleichzeitig geht die American-Football-Saison in die entscheidende Phase vor den Play-offs. Und viel wichtiger: Es ist die Zeit, in der sich die Besten der Barsportart Nummer eins zur Weltmeisterschaft treffen: Dart.
Auch wenn Sie vielleicht nichts von Sport verstehen (also wenn Sie zum Beispiel Jus-StudentIn sind) oder sich nie in Bars bewegen (also wenn Sie zum Beispiel BWL-StudentIn sind) – Dart kennen Sie bestimmt. Diese leicht bizarr anmutende Sportart, bei der Männer(Innen) mit dem Körperbau von steroidengetränkten Eisbären drei kleine Metallpfeile auf eine Zielscheibe aus Kork werfen, ist aus den Irish und English Pubs der Welt nicht wegzudenken, nicht zuletzt, weil es eine der wenigen Sportarten ist, bei der man theoretisch nie gezwungen ist, sein Pint voll Guinness abzustellen.
Auch die Regeln sind simpel: Man beginnt mit einer festen Anzahl Punkten, meistens 501, die man so schnell wie möglich auf null setzen muss. Die Zielscheibe ist nach den Zahlen von eins bis zwanzig aufgeteilt – die Zahlen entsprechen den Punkten, die man bei einem Treffer abgezogen bekommt – ein äusserer schmaler Ring zählt doppelt, der mittlere Ring dreifach, in der Mitte winkt das Bull’s Eye, das fünfzig Punkte verspricht. An Meisterschaften müssen die letzten Punkte, mit denen also die Punkte auf null gesetzt werden sollen, mit einem doppelten oder dreifachen Wurf erreicht werden – dem sogenannten Double Out.
Das Prinzip ist so einfach, dass es genau eine einzige Strategie gibt: Man zielt so lange auf das Feld, das die Maximalpunktzahl verspricht (eben nicht das Bull’s Eye, sondern «dreifach zwanzig»), bis ein Double Out erreicht werden kann. Im schnellstmöglichen Fall ist das mit neun Würfen möglich – zum Beispiel achtmal «dreifach zwanzig» und zum Abschluss «dreifach sieben». Bei einem Spiel unter echten Profis kommt da immer erst Spannung auf, wenn ein Sechzigerwurf verfehlt wird – das ist zum Zuschauen etwa ähnlich aufregend wie Bowling, bei dem es ja auch immer nur darum geht, ob einer den Strike schafft oder nicht.
Da darf man sich durchaus die Frage stellen, wer sich denn so etwas anschauen möchte. Die Antwort ist so einfach wie schlüssig: Betrunkene Menschen in Bars. Ein Dartturnier oder gar eine Meisterschaft ist die perfekte Ausrede dafür, gelangweilt an der Theke herumzulungern und Konversationen zu führen, die in ihrer naiven Ästhetik nur in Bars vorkommen können. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: «Weisst du, wenn ich genügend lange Dart schaue, treffe ich selbst auch besser.» – «Ach ja? Das liegt an den Dartoiden. Das sind Partikel in der Luft, welche die Dartfähigkeiten übertragen.» – «Du meinst, Dart ist eigentlich eine Krankheit?» – «Jep, aber nicht sexuell übertragbar.» – «Geil. Ist eh besser als Sex.» Vielleicht finden Sie das doof oder gar primitiv. Friedlicher als ein Sonntagsverkauf ist es allemal.
Etrit Hasler wartet auf die World Professional Darts Championship, die vom 18. Dezember bis 4. Januar 2015 stattfindet. Zu sehen gibts das in jedem Pub, das Sky Sports empfängt – was bei einem anständigen Pub zur Standardeinrichtung gehört.