Wichtig zu wissen: Der christliche Weg
Susi Stühlinger über Bündner Geschichten
Nachdem sich der «Richard Gere der Alpen», Adrian Amstutz, überraschend geweigert hatte, für die SVP den zweiten Bundesratssitz zu holen, musste halt er in die Hosen steigen und die Kartoffeln aus dem Feuer holen. Als Bündner war er schliesslich geradezu prädestiniert, den Auftrag des Volks zu erfüllen und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf aus dem Amt zu hieven. Heinz Brand, Nationalrat und als ehemaliger Chef des Bündner Amts für Justiz und Polizeiwesen Experte für Asylfragen, wäre die ideale Besetzung des Bundesdepartements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, sollte Ueli Maurer ins Finanzdepartement wechseln. Als Verteidigungsminister könnte er mit dem eritreischen Militär ein Abkommen über die Rückführung von Deserteuren schliessen. Und sollte dies aufgrund irgendwelcher humanitärer oder diplomatischer Probleme nicht erfolgen können, könnte die Schweizer Armee allenfalls zum Vollzug des eritreischen Militärstrafrechts bevollmächtigt werden. Als Präsident des Branchenverbands der Krankenversicherer, der Santé Suisse, könnte er aber auch problemlos Gesundheitsminister werden, wenn Alain Berset der abgewählten Simonetta Sommaruga ins Justizdepartement folgte. Seine Kompetenzen waren auf jeden Fall gefragt – mindestens so lange, bis Magdalena Martullo-Blocher bereit wäre, den Bündner Bundesratssitz dereinst zu erben.
Allerdings war Heinz Brand längst nicht der Einzige in Graubünden, der auf eine hehre Aufgabe schielte: Im Kampf für einen traditionellen und nicht von häretischen Ideologien durchsetzten Katholizismus musste sich ein anderer wohl oder übel geschlagen geben. Nachdem Jesus ihn verlassen und sein Pressesprecher ihn verraten hatte, war Bischof Vitus Huonder nach neuen spirituellen Herausforderungen zumute. Er würde sich vom Katholizismus abwenden und eine andere Ideologie vor dem schleichenden Zerfall zu retten versuchen. Doch welche nur? Es gab eigentlich nur eine konsequente Option, um den Bruch mit seinem früheren Leben endgültig zu machen: jene Institution, die bereits zu Anbeginn des Bundesstaats die grösste Feindin der katholischen Kirche gewesen war – der Freisinn. Dort würde er seine Züchtigkeit ablegen können und sich von jenem liberalen Eros mitreissen lassen, den eine Besucherin am FDP-Wahlauftakt in der Stadthalle Sursee gemäss NZZ gespürt haben soll.
Gerade im Bündnerland musste sich die FDP nicht vorwerfen lassen, mit Gott im Bunde zu stehen, zumindest wenn man der Onlineausgabe des «Prättigauer Herrschäftlers» glaubte. Dort nämlich stand: «Die FDP/CVP/BDP wollten keine Listenverbindung mit der SVP. Die SVP-Basis (Delegierten) haben den christlichen Weg vorgeschlagen, nämlich: Nicht nachtragen, nicht stehen bleiben, sich vorsöhnen und vorwärts schauen. Aber offenbar ist es diesen Parteien wichtiger, die SVP zu schwächen, als gemeinsam einen bürgerlichen Block zu bilden, um Lösungen zu finden, auf welche das Volk sehnlichst wartet.» Höchste Zeit für Vitus Huonder, seine Nationalratskandidatur bekannt zu geben.
Susi Stühlinger kann sich unter «liberalem Eros» schwerlich etwas vorstellen.