Schweizer Grossbanken: Der nächste Crash

Nr. 44 –

Tritt sie an – oder ab? Das war alles, was die JournalistInnen hören wollten, als Eveline Widmer-Schlumpf letzte Woche erstmals nach den Wahlen vor die Medien trat. Kurz nach der Finanzkrise 2008 hätte das, was sie zu verkünden hatte, noch für grossen Wirbel gesorgt: höhere Kapitalpolster für Grossbanken, damit sie Verluste auffangen können. Die UBS hatte in der Krise nur dank einer milliardenschweren Staatsrettung überlebt.

Sieben Jahre später interessiert das kaum noch jemanden. Zu Unrecht. Denn die Frage ist nicht, ob es wieder zu einem Crash kommt. Sondern wann. Diese Prognose hat nichts mit einer perversen Lust an Katastrophen zu tun. Vorboten für einen Kollaps gibt es genug: den starken Franken, Negativzinsen, den Immobilienboom.

Blicken wir zurück: Seit den achtziger Jahren hatten sich überall auf der Welt private Haushalte stark verschuldet. Als immer mehr von ihnen – zuerst in den USA, später in Europa – die Last nicht mehr tragen konnten, gerieten die Banken ins Wanken. Wer behauptet, Schulden seien auf mangelnde Charakterstärke zurückzuführen, hat von Ökonomie wenig begriffen. Der Hauptgrund liegt in der Ungleichheit, die seit der wirtschaftsliberalen Revolution in den siebziger Jahren zugenommen hat.

Diese brachte drei Probleme mit sich. Ein gesamtwirtschaftliches: Reiche sparen mehr Geld als Arme, die fast alles ausgeben (müssen). Weniger Konsum bewirkt allerdings eine stagnierende Wirtschaft, sinkende Investitionen, Arbeitslosigkeit. Ein soziales: Ungleichheit und Arbeitslosigkeit schaffen sozialen Sprengstoff. Das dritte Problem betraf die Reichen: Wirtschaftsstagnation bedeutet tiefere Renditen.

Die Scheinlösung für diese Probleme bestand darin, dass die Reichen ihre Ersparnisse immer mehr (statt an Firmen) an Privathaushalte verliehen, damit diese das Geld ausgeben: Entweder war es der Staat, der das Geld aufnahm und als Sozialleistungen verteilte, oder die Haushalte nahmen selbst Kredite auf. Lange schien die Rechnung aufzugehen: Die Wirtschaft wurde auf Pump weiter angetrieben, die Regierungen konnten ihre Wohlstandsversprechen einlösen. Und den Reichen winkte ein neues hübsches Geschäft. Bis die Blase platzte.

Seit der Finanzkrise hat sich an all dem nichts geändert. Nach der Explosion der Staatsschulden, die auf den Crash folgte, reagierten die Regierungen mit dem Sparstift; seither wächst die Ungleichheit weiter. Und so wird das Problem mit weiteren Schulden verdrängt. Dafür haben die Zentralbanken zusätzliches Geld bereitgestellt, die Zinsen liegen bei null. Dieser Situation kann sich auch die Schweiz nicht entziehen: Die weltweite Krise bringt InvestorInnen dazu, ihr Geld in der Schweiz anzulegen, was den Franken nach oben treibt und damit der Exportindustrie schadet. Und so entschied die Nationalbank Anfang Jahr, Negativzinsen einzuführen, um AnlegerInnen von der Schweiz fernzuhalten. Mit der Alternativen Bank hat kürzlich die erste Geschäftsbank Negativzinsen für ihre KundInnen eingeführt (vgl. «Zinsen, so hoch wie der Jahresgewinn» ).

Seit 2008 sind die öffentlichen Schulden weltweit von 33 Billionen weiter auf 58 Billionen US-Dollar gestiegen. Die Schulden der Privathaushalte sind von 33 Billionen auf 40 Billionen US-Dollar geschossen. Das billige Geld führt zu gefährlichen Immobilienbooms wie in der Schweiz. Und es lässt die Börsen kochen: Trotz Wirtschaftsflaute nähern sich viele Aktienindizes dem Punkt an, an dem sie vor der Krise standen – oder liegen bereits darüber.

Irgendwann wird das Schuldenhaus erneut in sich zusammenkrachen.

Werden dann die neu beschlossenen Kapitalpolster reichen, damit nicht wieder eine Grossbank die Schweiz in den Abgrund zu ziehen droht? In der Finanzkrise verloren die Banken weltweit durchschnittlich vier Prozent ihres Eigenkapitals – viele weit mehr. In Krisen werden gemäss Internationalem Währungsfonds nicht selten mehr als zehn Prozent der Kredite faul. Deshalb fordern auch Bürgerliche wie etwa der Bankenexperte Martin Hellwig hartes Eigenkapital von zwanzig bis dreissig Prozent.

UBS und Credit Suisse sollen künftig fünf Prozent hartes Eigenkapital halten. Das sind knapp zwei Prozentpunkte mehr als heute, doch es ist nicht genug.