Anschläge in Paris: Was geschah, was geschieht

Nr. 47 –

Die Ereignisse

Am 13. November schossen in Paris mehrere Attentäter fast zeitgleich auf Gäste von Bars und ­Res­tau­rants rund um die Place de la Ré­pu­blique und an einem Konzert der US-Rockband Eagles of ­Death Metal im Kulturhaus Bataclan. Derweil erschütterten mehrere Explosionen die Umgebung des Fussballstadions Stade de France, wo gerade ein Testspiel zwischen Deutschland und Frankreich lief.

Bei den Anschlägen, zu denen sich der IS bekannt hat, starben mindestens 132 Menschen, 350 wurden teilweise schwer verletzt.

Die Täter

Bataclan:

  • Der Franzose Ismaïl Omar Mostefai (29) war dem Inlandsgeheimdienst seit 2010 bekannt.
  • Der gebürtige Pariser Samy Amimour (28) stand 2012 wegen Gründung einer terror­istischen Vereinigung unter Verdacht, weil er versucht hatte, in den Jemen auszu­reisen. Seit 2013 wurde er per internatio­nalem Haftbefehl gesucht.
  • Der dritte Attentäter ist bisher nicht ­identifiziert.

Stade de France:

  • Der Franzose Bilal Hadfi (20) lebte in ­Belgien. Laut Medienberichten hat er sich im Frühjahr 2015 mehrere Monate in ­Syrien aufgehalten.
  • Ein weiterer Täter hatte einen auf den ­Namen Ahmad al-Mohammad ausgestellten syrischen Pass. Laut Behördenangaben ist der Pass vermutlich gefälscht.
  • Der dritte Attentäter ist bisher nicht ­identifiziert.

Restaurants und Cafés:

  • Der Franzose Salah Abdeslam (26), zuletzt wohnhaft in Brüssel-Molenbeek, hat das Auto gemietet, mit dem die Täter zum Bataclan fuhren.
  • Sein Bruder Ibrahim Abdeslam (31) war den Behörden wegen seiner Kontakte zu Abdelhamid Abaaoud (27) bekannt, der als meistgesuchter Islamist Belgiens gilt und die Anschläge geplant haben soll.
  • Weitere Attentäter wurden bisher nicht identifiziert. Im Pariser Vorort Saint-Denis fand am Mittwochmorgen eine Razzia statt, bei der sieben Verdächtige verhaftet und mindestens zwei getötet wurden. Eine Frau hat sich vor Ort in die Luft gesprengt.

Frankreichs Antwort

Seit Sonntag bombardiert Frankreichs Luftwaffe IS-Ziele in Syrien; am Montag wurde der einzige französische Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer geschickt.

Zudem hat Präsident François Hollande am Dienstag den EU-Bündnisfall ausgerufen. Es ist das erste Mal, dass ein Mitgliedsland die EU offiziell um Beistand bittet. Wie die Unter­stützung konkret aussehen soll, ist nicht näher definiert. Im Gegensatz zur Nato hat die EU keine eigenen Streitkräfte, die Frankreich militärisch unterstützen könnten.

Kurz war die Rede davon, die Nato-Beistandsklausel zu aktivieren, wie dies die USA nach den Anschlägen in New York 2001 ge­tan hatten. Weil diese Aktion vermutlich Russland verärgert hätte, war der Vorschlag schnell wieder vom Tisch.

Noch in der Nacht der Anschläge verhängte Hollande einen zwölftägigen Notstand über Frankreich. Bei Redaktionsschluss diskutierte das Parlament eine dreimonatige Verlängerung. Damit könnten auch die geplanten Demons­trationen rund um die Pariser Klimakonferenz verboten werden, die am 30. November beginnen soll.

Zudem soll das Notstandsgesetz von 1955 verschärft werden. Damit wären ­etwaige Not­standsmassnahmen zeitlich nicht mehr be­grenzt. Schliesslich soll per Verfassungsänderung ein nicht näher bestimmter «Krisenzustand» definiert werden, dessen Ausrufung ­die Bürgerrechte bedeutend einschränken würde.

Am Montag kündigte Hollande an, Polizei und Justiz um mehrere Tausend Mit­ar­bei­ter­In­nen aufzustocken. Die Regierung will nun auch der Forderung des rechtsextremen Front National nachkommen, die Bestimmungen zum Schusswaffengebrauch von PolizistInnen zu lockern.

«Radikalisierten» Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft will die Regierung die französische Staatsangehörigkeit entziehen können – eine alte Forderung von rechts.

Globale Reaktionen

Die Attentate wurden weltweit verurteilt, insbesondere auch von den wichtigsten islamischen Organisationen in Europa und im Nahen Osten.

Die deutsche Regierung stellte klar, dass sie trotz der Anschläge keinen Grund sehe, die ­Sicherheitsgesetze zu verschärfen. Sie schliesst einen Bundeswehreinsatz in Syrien unter Uno-Mandat nicht aus.

US-Aussenminister John Kerry versprach bei einem Besuch in Paris, die Angriffe auf den IS zu verstärken. Er forderte auch eine Einbindung Russlands.

Russland bombardiert seit dem Wochen­ende vermehrt IS-Stellungen in Syrien, ­nachdem der Kreml zum Schluss gekommen war, dass auch hinter dem Attentat auf ein russisches Passagierflugzeug über dem Sinai eine IS-Zelle stehe. Die russischen Streitkräfte sollen fortan eng mit der französischen ­Marine kooperieren.

Der britische Premierminister David Cameron versucht derzeit, das Parlament von einer Syrienintervention zu überzeugen. Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn warnte vor den Folgen eines militärischen Eingriffs durch Britannien und andere westliche Staaten. Dafür wurde der Linkspolitiker auch innerhalb seiner Partei kritisiert.

In Mittel- und Osteuropa haben rechts regierte Staaten wie Ungarn, Polen oder die Slowakei die Attentate zum Anlass genommen, ihre Flüchtlingspolitik noch weiter zu ­verschärfen.

In der Schweiz forderten bürgerliche Kreise, inklusive Bundesräte, mehr Mittel für die Überwachung und mehr Kompetenzen für den Geheimdienst.

Das Hackernetzwerk Anonymous erklärte dem IS am Tag nach den Anschlägen den «virtuellen Krieg». Das dezentral organisierte Kollektiv will etwa Twitter-Konten und IS-nahe Propagandawebsites angreifen.