Nein am 28. Februar!: Aufstand für eine neue Schweiz

Nr. 7 –

So anstrengend die Abstimmungsdebatte über die «Durchsetzungsinitiative» ist, so erfreulich ist sie auch. Endlich werden Begriffe vom Kopf auf die Füsse gestellt, zum Beispiel die von der «Elite» und vom «Volk». Denn es waren ja nicht nur Prominente aus Politik, Kultur oder Sport, die Manifeste gegen die Initiative unterzeichnet haben. Es waren auch Verkäuferinnen und Buschauffeure, Pflegefachfrauen und Hausabwarte. Und der Widerstand regt sich nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land: Es gibt ein Ob- und ein Nidwaldner Komitee oder einen Ausserrhoder Aufruf gegen die Initiative.

Im Bundeshaus hatte man die Abstimmung schon abgeschrieben. Die Allmacht der SVP schien nach dem Wahlsieg zementiert. Die Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Gewerbeverband kuschten aus Opportunismus, wollten keine Kampagne finanzieren. Völlig unerwartet erfolgte ein Aufstand aus der Zivilgesellschaft. Er wurde in keiner Zentrale geplant, er ging von einzelnen BürgerInnen aus.

Wer ist nun Volk, wer Elite? Betrachtet man die Frage finanziell, geraten die Kategorien erst recht durcheinander: hier die vom Milliardär finanzierte Partei, die einmal mehr klotzt, was die Plakatwände hergeben. Und da die Tausende von KleinspenderInnen: Mehr als eine Million Franken kam für einen «Dringenden Aufruf» zusammen, der grösste Teil durch Spenden von zehn bis fünfzig Franken. So hängt nun, wenn auch in kleinerer Auflage, neben den fiesen Schafen ein zackiges Nein in den Bahnhöfen.

Die Botschaft all der Spenden, der Manifeste und der Umzüge zum gemeinsamen Abstimmen ist unüberhörbar: «Es reicht!» Aber reicht es am 28. Februar? Und wenn nicht, was bleibt dann? Vielleicht ist es gut, in diesem Augenblick tief einzuatmen. Und die Freiheit zu riechen, die in der Luft liegt.

Nach vielen Jahren der ausländerpolitischen Verschärfungen passierte in den letzten Wochen etwas kaum Vorstellbares: Plötzlich wird von einer breiten Koalition die Rechtsstaatlichkeit verteidigt, wird offensiv gegen die Entrechtung der AusländerInnen gekämpft. Zwar würde die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, die bei einem Nein in Kraft treten würde, nochmals eine gravierende Verschärfung bringen. Doch wurde in diesem Abstimmungskampf in zahlreichen Beiträgen, quer über die Parteigrenzen hinweg, das grundlegende Problem erkannt: dass sich die Schweiz zu einer Zweiklassengesellschaft entwickelt hat, in der die einen mit dem Schweizer Pass alle Rechte haben und die zwei Millionen Übrigen immer weniger.

Ein Nein am 28. Februar schützt zuerst den Rechtsstaat: mit einer Härtefallklausel, die bei einer Ausweisung zumindest eine Einzelfallprüfung möglich macht. Ein Minimum an Rechtsstaatlichkeit und mitnichten ein «Täterschutz», wie die SVP mit ihrem letzten PR-Spin glauben machen will. Ein Nein schützt weiter die Demokratie: mit einer funktionierenden Gewaltentrennung, dank derer Parlament und Gerichte unabhängig entscheiden. Ein Nein kann schliesslich – und das ist die Freiheit, die in der Luft liegt – den Anfang einer neuen, zeitgemässen Schweiz bedeuten, die im 21. Jahrhundert auf ihre Vielheit setzt und allen Anwesenden die gleichen Rechte und Pflichten zuspricht.

Noch einmal wird die SVP in den letzten zehn Tagen die Sauglocke läuten, wie wir in der Ostschweiz sagen. Sie wird Messerstecher herbeifantasieren, die ums Einfamilienhaus schleichen (Thomas Minder im SRF-«Club»), sie wird Frauen und Kinder vor Totschlägern und Sexualdelinquenten schützen wollen (Christoph Blocher im «SonntagsBlick»). Die Paranoia zeigt bloss, dass die SVP nervös ist.

Die letzten Umfragen deuten auf einen äusserst knappen Ausgang hin. Geben wir das Nein in persönlicher Überzeugungsarbeit weiter bis am 28. Februar. Schliesslich wäre es auch ein Signal über die Grenzen hinaus, dass engagierte Zivilgesellschaften dem grassierenden Rechtspopulismus die Stirn bieten können. Man stelle sich vor, am Sonntagabend vermeldeten die Nachrichtensender in Europa, die Schweizer Bevölkerung habe beschlossen, dass Schluss sei mit der Angst.