Entwicklungszusammenarbeit: Grosse Versprechen, kleines Budget

Nr. 8 –

Trotz neuerlichem Milliardenüberschuss läutet der Bundesrat ein grosses Sparprogramm ein. Besonders hart trifft es die Entwicklungszusammenarbeit – obwohl sie zusätzliche Aufgaben übernehmen soll.

Die Jahreskonferenz der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist eine riesige PR-Veranstaltung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Dass an der diesjährigen Konferenz Ende Januar auch Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon und Aussenminister Didier Burkhalter vor über 2000 BesucherInnen ein Hohelied auf das Schweizer Engagement im Globalen Süden sangen, ist da nur logisch.

«Ich lobe die Schweiz dafür, dass sie bereits angefangen hat, die Agenda 2030 konkret umzusetzen», sagte Ban und meinte damit die siebzehn «nachhaltigen Entwicklungsziele», die von den Uno-Mitgliedstaaten im letzten Jahr verabschiedet worden waren. Bundesrat Burkhalter selbst sparte nicht mit Selbstlob: «Die Schweiz konnte in den Verhandlungen vor allem die Ziele zu Wasser, Geschlechtergleichstellung, Gesundheit sowie Frieden und inklusive Gesellschaften massgeblich prägen.»

Nicht zur Sprache kam, was die Schweiz zum riesigen Finanzbedarf beiträgt, der nötig ist, um die Nachhaltigkeitsziele bis 2030 zu erreichen: Die Uno spricht von fünf bis sieben Billionen US-Dollar – pro Jahr. Unerwähnt blieb auch, dass die Schweiz, obwohl sie den staatlichen Beitrag zur internationalen Umsetzung vornehmlich aus dem Entwicklungshilfebudget zu finanzieren gedenkt, ausgerechnet dieses Budget kürzen will: Trotz Milliardenüberschuss im Haushaltsjahr 2015 läutet der Bundesrat gerade eine grosse Sparrunde ein, die die Entwicklungszusammenarbeit besonders hart trifft. Durch dieses «Stabilisierungsprogramm 2017–2019» dürfte die Schweiz ab nächstem Jahr das vom Parlament für 2015 gesteckte Ziel, 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) in die Entwicklungszusammenarbeit zu stecken, nicht mehr erreichen. Ban Ki Moon hätte die Schweiz also tadeln sollen. Das gegenüber der Uno versprochene Ziel beträgt gar 0,7 Prozent.

Der Trick mit den Asylkosten

Am Mittwoch letzter Woche haben dann die Bundesräte Burkhalter und Johann Schneider-Ammann ein weiteres Papier präsentiert: die neue «Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017–2020». Darin enthalten sind die Entwicklungszusammenarbeit, die humanitäre Hilfe, die Zusammenarbeit mit Osteuropa – und neuerdings auch die sogenannte menschliche Sicherheit. Für alle diese Bereiche sollen in jenen vier Jahren elf Milliarden Franken zur Verfügung stehen. Das Parlament wird die Botschaft und die entsprechenden Rahmenkredite bis zur Sommersession behandeln.

Was die Schweiz in den nächsten Jahren alles leisten will, ist beeindruckend. Die Botschaft enthält neben der Agenda 2030 weitere neue Engagements. Etwa den Beitritt zur neuen Asiatischen Infrastruktur-Entwicklungsbank AIIB (siehe WOZ Nr. 50/2015 ). Hinzu kommen verstärkte Aktivitäten im Klimabereich und in fragilen, konfliktreichen Regionen. Schliesslich sollen die Katastrophenhilfe sowie die friedens- und sicherheitsfördernden Massnahmen ausgebaut werden. Burkhalter räumte zwar noch ein, dass die langfristige Entwicklungszusammenarbeit wegen der neuen Aufgaben und des – relativ zur Wirtschaftsleistung – schrumpfenden Budgets «etwas weniger» Mittel erhalten werde. Zugleich versicherte er, die Programme könnten alle auch so weitergeführt werden.

Mark Herkenrath, der Geschäftsleiter der entwicklungspolitischen Organisation Alliance Sud, kann dieser Einschätzung wenig abgewinnen: «Der Bundesrat will bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit massiv sparen. Dies mit Kürzungen über das gesamte Programm aufzufangen, zeigt das Unvermögen, strategische Schwerpunkte zu setzen und die verbleibenden Mittel zu fokussieren.» Die Konzentration auf weniger Partnerländer ist eine Forderung, die GutachterInnen im Namen des Entwicklungsausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schon mehrmals an die Schweiz gerichtet haben.

Eben dieser Ausschuss, dem auch die Schweiz angehört, hat nun aber letzten Freitag einem Trend das Wort geredet, der seit den Finanz- und Flüchtlingskrisen zu beobachten ist: die Entwicklungshilfe vermehrt in den Dienst der eigenen Migrationspolitik zu stellen – und also noch mehr Asylausgaben als «Entwicklungshilfe» zu bezeichnen. Die Schweiz tut Letzteres seit Jahren mit allen Kosten, die Asylsuchende im ersten Aufenthaltsjahr verursachen – 2014 machte dies über vierzehn Prozent der Schweizer «Entwicklungshilfe» aus. Lange galt diese legale Praxis als besonders kleinkrämerisch. Doch nun haben etwa auch Italien, die Niederlande oder Schweden nachgezogen.

Im Sinn der europäischen Versuche, Fluchtursachen zu bekämpfen, ist denn auch die Absicht des OECD-Entwicklungsausschusses zu verstehen: Bald sollen verschiedenste Massnahmen als «Entwicklungshilfe» gelten, die «gewalttätigen Extremismus verhindern». Womit auch Militär- und Polizeikräfte zunehmend in den Genuss von Entwicklungsgeldern kommen könnten. So weit geht die Schweiz noch nicht, doch der geplante Ausbau der friedens- und sicherheitsfördernden Massnahmen ist bereits klar migrationspolitisch motiviert.

Verzicht auf Einnahmen

Ein weiterer OECD-Trend ist bereits prominent in der Botschaft enthalten: Entwicklungsgelder als Hebel für andere Finanzquellen zu nutzen. Indem der Bundesrat «öffentlich-private Partnerschaften» auszubauen gedenkt, sollen private Unternehmen stärker in die Entwicklungszusammenarbeit eingebunden werden – zum Beispiel in der Energieversorgung oder um Arbeitsplätze zu schaffen. Dahinter steckt nicht zuletzt die Hoffnung, dass mit weniger Budget mehr erreicht werden kann. Eine Studie der entwicklungspolitischen Organisation Eurodad kommt allerdings zum gegenteiligen Befund: Solche Partnerschaften seien «in den meisten Fällen die teuerste Finanzierungsmethode» – und kämen einen Staat oft doppelt so teuer zu stehen, wie wenn er das notwendige Geld bei privaten Banken geliehen hätte.

«Die Schweiz hat keinen guten Grund, ihre Entwicklungszusammenarbeit für andere Ziele zu instrumentalisieren», sagt Herkenrath von Alliance Sud. Er verweist dabei auf Deutschland, das sich diesem Trend zumindest darin widersetzt, dass es etwa für den Klimabereich zusätzliche Mittel bereitstellt.

«Der Bundesrat verzichtet im Stabilisierungsprogramm darauf, mehr Einnahmen zu generieren, etwa durch eine Gegenfinanzierung der Verluste, die durch die Unternehmenssteuerreform entstehen», sagt Herkenrath. «Wenn die Sparbemühungen zu 20 bis 25 Prozent auf Kosten der internationalen Zusammenarbeit gehen, ist das eine politische Entscheidung.»

Und der politische Druck steigt noch an: Am Freitag forderte eine knappe Mehrheit in der Finanzkommission des Nationalrats, die internationale Zusammenarbeit um über eine Milliarde Franken pro Jahr zu kürzen. Die Entwicklungshilfequote solle ab 2020 nur noch 0,3 Prozent des BNE betragen. Spätestens dann würde wohl auch die Lobeshymne des Uno-Generalsekretärs verstummen.