Kommentar: Polens falsche Regierung mit der richtigen Politik

Nr. 34 –

Es ist nur ein Gedankenspiel, aber eines, das erhellend sein kann: Man denke sich die nationalkonservative Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen einmal ohne ihre Angriffe auf das Verfassungsgericht, ihre Polemik gegen Flüchtlinge oder ihren Rechtsschwenk in der Gesellschaftspolitik. Was bleibt jenseits dieser und weiterer kritischer Dinge? Ein neuer Ansatz in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dieser trägt etatistisch-sozialdemokratische Züge, bringt den Staat als Gestalter ins Spiel und nimmt Abschied von einem aus dem Ruder gelaufenen Wirtschaftsliberalismus.

Natürlich ist Regierungshandeln, das teils demokratiezersetzend wirkt, prinzipiell nicht annehmbar. Dennoch sollten KritikerInnen im In- und Ausland nicht in den Modus einer pauschalen Verurteilung aller PiS-Reformen schalten. Bislang geschieht dies über Mass, zuletzt bei der «Strategie für verantwortungsvolle Entwicklung». Ziel des Entwurfs aus dem Entwicklungsministerium ist etwa die Hebung heimischer Unternehmen auf ein höheres Entwicklungslevel oder die Förderung vielversprechender Branchen. Viele KritikerInnen wollen die sinnvollen Ansätze des 220-Seiten-Papiers nicht zur Kenntnis nehmen. Sie verkennen damit, dass auch eine im Kern falsche Regierung manchmal die richtigen Dinge tun kann (siehe WOZ Nr. 25/2016 ).

Dasselbe gilt auch in der Sozialpolitik: Der Mindestlohn wird angehoben und endlich auf wuchernde, prekäre Arbeitsverträge ausgeweitet, es gibt ein Programm zum Bau von Mietwohnungen und eine – zwar schief gezurrte, aber überfällige – Unterstützung für Familien. Das alles kommt im Volk nicht nur deswegen gut an, weil es Zuckerbrot, sondern weil es notwendig ist. Rechtskonservative Parteien sind europaweit nicht nur wegen Terroranschlägen und Flüchtlingen im Aufwind, sondern auch, weil es die etablierten Parteien nicht geschafft haben, etwas gegen die steigende soziale Ungleichheit zu unternehmen.

Ob die PiS diese mildern kann oder ob ihre Vorstösse den staatlichen Haushalt sprengen werden, ist zwar noch nicht ausgemacht. Und freilich avisiert die Partei um Strippenzieher Jaroslaw Kaczynski keinen egalitären Staat im Sinn der Linken. Sie will vielmehr einer «nationalen Mittelschicht» auf die Beine helfen. Für Polen wäre es daher zwar besser, wenn die PiS in drei Jahren die Wahlen verliert. Doch es wäre zu wünschen, dass ihre teilweise sinnvollen Wirtschafts- und Sozialreformen greifen – und ihre NachfolgerInnen sich an diesen messen müssten.