Tisa und TTIP: Trump liebt es ohne Regeln

Nr. 49 –

Womöglich lässt Donald Trump das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) scheitern. Vielleicht erweist sich der designierte US-Präsident aber auch als Turbo, der mit dem Freihandelsvertrag Tisa den weltweiten Dienstleistungssektor massiv deregulieren will.

«Was uns jetzt bleibt, ist die Hoffnung, nicht in einen Handelskrieg zurückzufallen», sagte ein hoher deutscher Beamter – anonym – gegenüber der britischen Zeitung «Guardian» kurz nach den US-Präsidentschaftswahlen. Das TTIP, das Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, erklärte der Beamte für «so gut wie tot». Tatsächlich hatte Donald Trump im US-Wahlkampf heftig gegen Freihandelsabkommen gewettert und stattdessen den Protektionismus gepriesen. Erst kürzlich hat der neu gewählte US-Präsident vollmundig angekündigt, das fertig verhandelte, aber noch nicht ratifizierte Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) über Bord zu werfen.

Doch das war und ist vorerst einmal populistische Wahlkampfrhetorik. Trump weiss, wie unbeliebt Freihandelsabkommen bei seinen WählerInnen sind. Als Mitte der neunziger Jahre das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) in Kraft trat, wurden Abertausende Industriearbeitsplätze nach Mexiko verlagert. Das haben die ArbeiterInnen nicht vergessen.

Tisa-Verhandlungen stocken

Aber insbesondere Trumps Haltung gegenüber dem Dienstleistungsabkommen Tisa ist unklar. Eine Gruppe von fünfzig mehrheitlich reichen Staaten aus dem Norden – darunter auch die Schweiz – treibt derzeit die Liberalisierung des globalen Dienstleistungsmarkts voran. Für die Schweiz sitzt eine Delegation des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) am Verhandlungstisch zu Tisa. Was sagt sie zur aktuellen Situation? «Die handelspolitische Positionierung der neuen, republikanischen US-Administration steht noch nicht fest. Das betrifft auch den Tisa-Prozess.» Bei einem Wechsel der US-Präsidentschaft sei es nicht ungewöhnlich, dass mehrere Monate vergingen, bis sich die neue Regierung personell und inhaltlich positioniert habe. Weiter hält das Seco fest: «Wann der Tisa-Prozess weitergeführt werden kann, ist zurzeit offen. Ein Verhandlungsende ist zurzeit nicht absehbar.» Der Bundesrat jedenfalls plant für 2017 eine Botschaft zum Tisa.

Die Tisa-Verhandlungen sind allerdings schon vor den US-Wahlen ins Stocken geraten. Ursprünglich sollten die Verhandlungen, auch gemäss Seco, Ende 2016 abgeschlossen sein. Nun ist kürzlich ein Ministertreffen, das für den 5. und 6. Dezember in Genf angedacht war, abgesagt worden. Der Grund: Die USA und die EU sind sich uneinig über den Umgang mit persönlichen Daten. Während die USA auf einen möglichst uneingeschränkten Datenfluss pochen, hat die EU erst kürzlich den Datenschutz gestärkt und will daran festhalten. Dem US-Magazin «Politico» sagte ein hoher US-Handelsbeamter, auch er anonym: «Es ist wahrscheinlicher, dass Trump die Tisa-Verhandlungen vorantreiben wird, als dass die EU bezüglich Daten die Kurve kriegt.»

Trump als Tisa-Turbo. Abwegig ist das nicht. «Beim Tisa geht es darum, Deregulierung und Privatisierung weiter zu fördern: Trump liebt beides», sagt Deborah James vom kritischen US-Thinktank Center for Economic and Policy Research. Ausserdem gehe es um Dienstleistungen. «Seine Wählerbasis in der Arbeiterklasse ist vom Tisa weniger betroffen als von Handelsabkommen wie dem TPP, die Arbeitsplatztransfers in ein Billiglohnland wie Vietnam mit sich bringen.»

Auch VPOD-Generalsekretär Stefan Giger, einer der profiliertesten Tisa-Gegner hierzulande, glaubt trotz des geplatzten Ministertreffens nicht an ein vorzeitiges Ende des Dienstleistungsabkommens. «Trump hat bisher weder gesagt noch erkennen lassen, dass er das Tisa scheitern lassen will», so Giger. Er kann sich folgendes Szenario vorstellen: «Falls das TTIP wirklich vollends scheitert, ist es sogar denkbar, dass beim Tisa eine zusätzliche Dynamik entsteht, damit wenigstens im Dienstleistungsbereich die Deregulierungsziele umgesetzt werden.» Die global tätigen IT-Konzerne würden dann Druck auf die US-Regierung ausüben, «und bisher hat sich Trump den Interessen der Grosskonzerne gegenüber offen gezeigt».

Das TTIP ist noch nicht gestorben

Selbst bezüglich des TTIP können sich dessen linke GegnerInnen noch nicht wirklich über die rechtspopulistische Unterstützung freuen. «Trump ist nicht grundsätzlich gegen Freihandel», sagt Deborah James. «Er sagte im Wahlkampf vielmehr, er denke, dass die US-Verhandler einen schlechten Job gemacht und schlechte Deals ausgehandelt hätten. Nun werde er verhandeln und gute Deals erzielen.» Die Frage sei, was Trump unter einem «guten Deal» verstehe und ob er dabei tatsächlich an die ArbeiterInnen denke. James hat diesbezüglich starke Zweifel.

Auch Pia Eberhardt von der wirtschaftslobbykritischen NGO Corporate Europe Observatory glaubt nicht, dass das TTIP so gut wie tot ist. «Trump hat einige Freihändler in sein Übergangsteam berufen», sagt sie. «Und seine Deregulierungsagenda, etwa im Finanzmarktbereich, passt ganz prima zum geplanten Abbau von regulatorischen Hürden im TTIP.» Eberhardt hält es daher nicht für unwahrscheinlich, dass die TTIP-Verhandlungen im nächsten Jahr wieder aufgenommen werden.