Auf allen Kanälen: Eine grosse schwarze Afro-Provokation

Nr. 13 –

Die ZDF-Moderatorin Jana Pareigis zeigt in ihrem Dokumentarfilm «Afro.Deutschland», wie Schwarze in Deutschland Rassismus erleben und diesem aktiv entgegentreten.

Auf die Frage, was der Fussballer Philipp Lahm und der Musiker Jan Delay miteinander gemein haben, würde einem vermutlich nicht viel einfallen. Ganz anders gelagert ist die Sache beim Schalker Gerald Asamoah und dem Rapper Samy Deluxe. Hier scheint die Antwort auf der Hand zu liegen: Beide sind schwarz.

Über diese Zuschreibung von Identität über die Hautfarbe hat die Berliner Fernsehjournalistin Jana Pareigis den persönlichen und streckenweise auch ausgesprochen berührenden Dokumentarfilm «Afro.Deutschland» gedreht. Pareigis, Moderatorin beim ZDF und selbst Afrodeutsche, porträtiert schwarze Menschen in Deutschland, erzählt gleichzeitig aber auch über die eigenen Erfahrungen mit dem Nichtweisssein. Auf dieser Reise durch Afrodeutschland trifft sie zwar Prominente wie Gerald Asamoah und Sammy Deluxe, doch die dienen Pareigis nur als Aufhänger. Das eigentliche Interesse des Films gilt der Frage, wie Schwarze den Rassismus im deutschen Alltag erleben und welche Formen der Selbstermächtigung sie dagegen entwickeln.

Schwarze in ständiger Gefahr

Im Dialog mit ihren InterviewpartnerInnen entwickelt Pareigis zehn Einzelporträts, die zusammen ein sehr repräsentativ wirkendes Gesamtbild ergeben. Die Journalistin trifft den 92-jährigen Schauspieler Theodor Wonja Michael, der als Afrodeutscher im Nationalsozialismus als Statist auftreten musste, wenn für Propagandafilme afrikanische Exotik gefragt war. Michael erzählt zwar im Plauderton über seine Jugend im Faschismus, doch man bekommt eine recht plastische Vorstellung davon, wie erdrückend seine Angst gewesen sein muss, er könnte wegen «Rassenschande» angeklagt und ins KZ geschickt werden.

«Afro.Deutschland» zeigt aber auch, wie gross die Lebensgefahr für Schwarze noch heute ist. Pareigis begleitet den aus Burkina Faso stammenden Flüchtling Issa Barra zu einem Gerichtsprozess. Barra, der als Asylbewerber in der ostdeutschen Provinz lebt und von einem Rechtsradikalen brutal zusammengeschlagen wurde, berichtet von alltäglichen Beschimpfungen und Drohungen. Die erschütterndste Episode im Film ist jedoch die Geschichte der in der DDR aufgewachsenen Indira Paasch, die von ihrem rassistischen Stiefvater mehrmals fast umgebracht worden wäre, bevor sie schliesslich zu einer Adoptivfamilie kam.

Haarige Statements

Diese Opferperspektiven machen allerdings nur einen Teil des Films aus. Pareigis will auch zeigen, wie sich die eigene Stimme erheben lässt. So trifft sie den südafrikanischen Künstler Robin Rhode, dessen Bilder sich mit Haaren als Mittel rassistischer Kategorisierung auseinandersetzen, oder die portugiesische Wahlberlinerin Grada Kilomba, die theoretisch zu Postkolonialismus und Feminismus arbeitet. Esther Donkor, die das Onlinemagazin «Krause Locke» gegründet hat, erzählt, was natürliche Frisuren mit Selbstbewusstsein zu tun haben und warum es ein Statement für afrodeutsche Frauen ist, die eigenen Haare nicht zu glätten. Pareigis besucht das Jahrestreffen der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und begleitet den Aktivisten Joshua Kwesi Aikins, der anhand von Berliner Strassennamen die deutsche Kolonialgeschichte thematisiert, auf einem Stadtrundgang.

Normalerweise erfährt man bei der Deutschen Welle – immerhin einem zu Repräsentationszwecken unterhaltenen Staatskanal – vor allem etwas über die Vorzüge von deutscher Technologie, Küche und Kultur. Auf den ersten Blick kommt «Afro.Deutschland» auch wie eine konventionell moderierte Dokumentation daher. Gleichzeitig nutzt der Film aber die Erzählerinnenstimme, um Rassismus unmissverständlich als solchen zu adressieren und Veränderung einzufordern. Und anders, als man es bei einer von der Deutschen Welle produzierten Reportage erwarten würde, richtet sich dieses Statement nicht an die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Pareigis bietet vor allem den von Rassismus Betroffenen eine Plattform, um sich selbst zu organisieren.

«Afro.Deutschland» subvertiert also einen traditionellen Sendekanal mit der Botschaft: Nichts ist in Ordnung in Deutschland. Und gerade die Tatsache, dass Pareigis ihre ZuschauerInnen als freundliche Moderatorin durch die Republik führt, macht den Film zu einer geschickt verpackten Provokation.

«Afro.Deutschland». Dokumentarfilm von Jana Pareigis, Susanne Lenz-Gleissner und Adama Ulrich. 53 Minuten. Online auf www.dw.com/de/wie-schwarze-menschen-ihre-deutsche-heimat-erleben/a-3813….