Internationale Solidarität: El Salvador ehrt Jürg Weis

Nr. 20 –

Die Frühgeborenenstation im Spital von Santa Ana bekommt den Namen des 1988 ermordeten Schweizer Internationalisten.

Fast dreissig Jahre nach seiner Ermordung geehrt: Jürg Weis (im Türrahmen) mit anderen Schweizer LateinamerikaaktivistInnen 1984 in San Miguelito, Nicaragua. Foto: Olivia Heussler

Fast dreissig Jahre nach seinem gewaltsamen Tod in El Salvador ist Jürg Weis noch nicht vergessen. Vor kurzem wurde die neu errichtete Abteilung für Frühgeburten im staatlichen Spital von Santa Ana im Westen des zentralamerikanischen Landes nach dem schweizerischen Aktivisten benannt. Selbst Präsident Salvador Sánchez Cerén nahm an der Feier zur Namensgebung teil. El Salvador und die schweizerische Linke verbindet eine lange Geschichte.

«Kein Gefecht, sondern Mord»

Weis, der 42 Jahre alt wurde, war Pfarrer und im Zürcher Zentralamerika-Sekretariat für die Koordination von Solidaritätsprojekten in El Salvador verantwortlich. Dort standen sich Militärregime und Opposition seit 1980 in einem Bürgerkrieg gegenüber. Militärs und rechte Todesschwadronen ermordeten viele, die auch nur entfernt mit der Opposition sympathisierten. Vor allem die Menschen auf dem Land hatten zu leiden. Sie galten der Regierung als mögliche UnterstützerInnen der Guerilla FMLN.

Weis hatte das Land mehrfach besucht. Am 22. August 1988 war er in der Provinz Cabañas unterwegs. Nach offizieller Darstellung wurde er an jenem Tag aufseiten der Guerilla in ein Feuergefecht mit einer Militärpatrouille verwickelt und erschossen. Mit ihm starben zwei Guerilleros. Die Soldaten hätten seiner Leiche eine noch heisse Waffe aus den Händen genommen. Sie hätten die Toten zwei Stunden lang unbewacht in einem Maisfeld liegen lassen, um Verstärkung zu holen. In dieser Zeit sei das Gesicht von Weis von Guerilleros verstümmelt worden, um seine Identifizierung zu erschweren. Sein roter Pass aber wurde bei der Leiche gefunden.

Nicht nur dieser Widerspruch führte dazu, dass im September 1988 neun schweizerische, deutsche und französische Persönlichkeiten nach El Salvador flogen, um den Tod von Jürg Weis aufzuklären. Bei einer Obduktion der Leiche am gerichtsmedizinischen Institut der Universität Basel war festgestellt worden, dass Weis die Hieb- und Stichwunden im Gesicht noch lebend erlitten hatte und dass er aus nächster Nähe erschossen worden war. Zeugen hatten gesehen, wie der auffällig grosse Mann von Mitgliedern der paramilitärischen Nationalpolizei verschleppt worden war. Der Bericht der Delegation fällte ein deutliches Urteil: Es gab «kein Gefecht, sondern Mord», die Mörder «gehören der Armee oder anderen salvadorianischen Sicherheitskräften an». Sie sind bis heute nicht gerichtlich belangt worden.

Cavallis Anstoss

Dass nun die Abteilung für Frühgeburten im Spital von Santa Ana nach Jürg Weis benannt worden ist, «lag fast auf der Hand», sagt Spitaldirektor Ramón Ábrego. Er hatte 2012 Besuch von Franco Cavalli bekommen. Der ehemalige SP-Nationalrat war nicht als Politiker, sondern als einer der Gründer des kleinen Tessiner Hilfswerks Associazione per l’aiuto medico al Centro America (Amca) gekommen, das seit über zwanzig Jahren medizinische Projekte in Zentralamerika unterstützt.

Ábrego und Cavalli waren sich schnell einig: Die 1950 errichtete und seither nicht erweiterte Frühgeborenenstation in Santa Ana entspricht schon lange nicht mehr internationalen Standards. Das Regionalkrankenhaus ist für ein Einzugsgebiet zuständig, in dem jedes Jahr rund 18 000 Kinder geboren werden. Pro tausend Geburten bräuchte man eigentlich einen Brutkasten für Frühgeburten. Santa Ana verfügt über sechs, und die stehen enger beieinander, als es die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation zum Schutz vor Infektionen erlauben. Geld für eine Erweiterung hat das Gesundheitsministerium nicht. Der Staat steht am Rand der Zahlungsunfähigkeit. Nun ist – mit rund 400 000 Franken von Amca – ein Neubau auf dem Gelände fertiggestellt worden. In einem zweiten Schritt soll er mit den nötigsten Apparaten ausgestattet werden, was nochmals ähnlich viel kosten wird.

«Als wir der Gesundheitsministerin vorschlugen, den Bau nach Jürg Weis zu benennen, war sie sofort einverstanden», sagt Ábrego. Sie war, als der Schweizer ermordet wurde, genauso bei der Guerilla wie der heutige Staatspräsident. Das Andenken an Weis wird in Ehren gehalten, die gerichtliche Aufarbeitung des Mordes aber steht noch aus. Seit der oberste Gerichtshof El Salvadors im vergangenen Jahr eine Generalamnestie für im Bürgerkrieg begangene Verbrechen aufgehoben hat, wäre sie zumindest möglich.